Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
gefährlich. Wenn ich sie zu sehr erschreckte, war es möglich, dass sie mich ohne Zögern umbrachten.
    Wir hatten den Pass betreten. Hier standen nur wenige Bäume zwischen den Felsbrocken, und als wir auf der anderen Seite des Berges ankamen, öffnete sich der Himmel vor mir, unendlich, leuchtend und voller flammender Sterne.
    Ich muss bei diesem Anblick ein Geräusch ausgestoßen haben, denn der junge Mann, der mein Pferd führte, blieb stehen und hob ebenfalls den Kopf zum Himmel.
    »Oh«, sagte er leise. Er starrte einen Moment hinauf, dann strich ein anderes Pferd an uns vorbei, dessen Reiter sich umdrehte und mich durchdringend ansah, und er kam wieder auf den Erdboden zurück.
    »Hattet Ihr auch solche Sterne – wo Ihr herkommt?«, fragte mein Begleiter.

    »Nein«, sagte ich, noch ein wenig im Bann der stillen Glorie über unseren Köpfen. »Nicht so hell.«
    »Nein, das waren sie nicht«, sagte er, schüttelte den Kopf und zog am Zügel. Diese Bemerkung kam mir seltsam vor, aber ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Möglicherweise hätte ich mich noch weiter mit ihm unterhalten – ich brauchte weiß Gott jeden Verbündeten, den ich finden konnte – doch vor uns erklang ein Ruf; offensichtlich würden wir Rast machen.
    Ich wurde losgebunden und vom Pferd gezerrt. Hodgepile schob sich durch das Gedränge und packte mich an der Schulter.
    »Versucht wegzulaufen, und Ihr werdet Euch wünschen, Ihr hättet es nicht getan.« Er drückte brutal zu, und seine Finger bohrten sich in meine Haut. »Ich brauche Euch lebendig – ich brauche Euch nicht unversehrt.«
    Ohne meine Schulter loszulassen, hob er sein Messer, presste die Klinge mit der flachen Seite an meine Lippen und schob mir die Spitze in die Nase. Dann beugte er sich so dicht zu mir herüber, dass ich die feuchte Wärme seines widerwärtigen Atems in meinem Gesicht spürte.
    »Das Einzige, was ich Euch nicht abschneiden werde, ist Eure Zunge«, flüsterte er. Er zog die Messerklinge langsam aus meiner Nase über mein Kinn, an meinem Hals entlang und umkreiste meine Brust. »Ihr versteht mich doch, oder?«
    Er wartete, bis ich ein Kopfnicken zuwege brachte, dann ließ er mich los und verschwand in der Dunkelheit.
    Wenn er vorgehabt hatte, mich aus dem Konzept zu bringen, so war ihm das bestens gelungen. Ich schwitzte trotz der Kühle und zitterte noch, als plötzlich ein hoch gewachsener Schatten neben mir aufragte, eine meiner Hände ergriff und etwas hineindrückte.
    »Mein Name ist Tebbe«, murmelte er. »Vergesst das nicht – Tebbe. Denkt daran, dass ich gut zu Euch gewesen bin. Sagt Euren Geistern, sie sollen Tebbe nichts tun, er war gut zu Euch.«
    Ich nickte erneut, erstaunt, und wurde wieder allein gelassen, diesmal mit einem Stück Brot in der Hand. Ich aß es hastig und stellte dabei fest, dass es zwar ziemlich trocken war, ursprünglich aber gutes Roggenbrot von der Art war, wie es die Frauen in Salem buken. Hatten sie dort ein Haus überfallen oder das Brot lediglich gekauft?
    Jemand hatte neben mir einen Pferdesattel auf den Boden geworfen; am Sattelknauf hing eine Wasserflasche, und ich sank auf die Knie, um daraus zu trinken. Das Brot und das Wasser – Geschmacksnote Segelleinen und Holz – waren das Leckerste, was ich seit langem gegessen hatte. Es war nicht das erste Mal, dass mir auffiel, dass die Nähe des Todes den Appetit drastisch verbessert. Dennoch hoffte ich, dass meine letzte Mahlzeit etwas raffinierter sein würde.
    Nach ein paar Minuten kam Hodgepile mit einem Seil zurück. Er machte
sich nicht die Mühe, mich weiter zu bedrohen – offenbar hatte er den Eindruck, sich genügend verständlich gemacht zu haben. Er fesselte nur meine Hände und Füße und schubste mich zu Boden. Niemand sprach mit mir, aber irgendjemand warf aus einem liebenswürdigen Impuls heraus eine Decke über mich.
    Das Lager kam schnell zur Ruhe. Es wurde kein Feuer angezündet, also auch kein Abendessen gekocht; wahrscheinlich stillten die Männer ihren Hunger auf dieselbe improvisierte Weise wie ich. Dann verstreuten sie sich im Wald, um ihre Ruhe zu finden, und ließen die Pferde ein Stück weiter angebunden zurück.
    Ich wartete, bis das Hin und Her verebbte, dann nahm ich die Decke zwischen die Zähne und robbte vorsichtig von der Stelle fort, an der man mich abgelegt hatte, bis ich zentimeterweise wie ein Wurm zu einem anderem Baum etwa ein Dutzend Meter weiter gekrochen war.
    Dabei hatte ich nicht etwa Flucht im Sinn, doch falls einer der

Weitere Kostenlose Bücher