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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Schultern bebten. Ich konnte nicht erkennen, ob er weinte.
    Der Wind nahm zu; von Westen kam eine Sturmbö heran. Die Fensterläden klapperten, und das für die Nacht eingedämmte Feuer spuckte Ruß, als der Wind durch den Schornstein fuhr. Dann war der Windstoß vorbei, und das einzige Geräusch war dann und wann das leise, plötzliche Krack! einer Holzkohle im Kamin.
    »Es tut mir Leid«, sagte ich schließlich leise.
    Jamie fuhr auf dem Absatz herum und funkelte mich an. Er weinte nicht, doch er hatte geweint; seine Wangen waren feucht.
    »Sag das ja nicht!«, dröhnte er. »Das dulde ich nicht, hörst du?« Er trat mit einem Riesenschritt zum Tisch und ließ die Faust so fest darauf niederknallen, dass das Salzgefäß aufhüpfte und umfiel. »Es darf dir nicht Leid tun!«
    Ich hatte automatisch die Augen geschlossen, zwang mich jedoch, sie wieder zu öffnen.
    »Schon gut«, sagte ich. Ich war jetzt wieder furchtbar, furchtbar müde, und mir war selbst zum Weinen. »Das wird es auch nicht.«

    Es herrschte geladenes Schweigen. Ich konnte hören, wie im Hain hinter dem Haus die Kastanien fielen, weil der Wind sie löste. Eine, noch eine, dann noch eine, ein Hagel gedämpfter Plumpsgeräusche. Dann holte Jamie tief erschauernd Luft und wischte sich mit dem Ärmel über das Gesicht.
    Ich stützte meine Ellbogen auf den Tisch und nahm den Kopf in die Hände; er schien viel zu schwer zu sein, um ihn weiter hochzuhalten.
    »Notwendig«, sagte ich mehr oder minder ruhig zur Tischplatte. »Wie hast du das gemeint, notwendig?«
    »Ist dir der Gedanke noch nicht gekommen, dass du schwanger sein könntest?« Er hatte sich wieder unter Kontrolle und stellte seine Frage so ruhig, wie er sich vielleicht erkundigt hätte, ob ich vorhätte, beim Frühstück Porridge zum Schinken aufzutischen.
    Ich blickte erschrocken zu ihm auf.
    »Ich bin nicht schwanger.« Aber meine Hände waren schon automatisch an meinen Bauch gefahren.
    »Ich bin nicht schwanger«, wiederholte ich, diesmal energischer. »Das ist unmöglich.« Doch es war möglich – gerade eben. Die Wahrscheinlichkeit war gering, doch sie existierte. Normalerweise wandte ich eine Form der Verhütung an, nur zur Sicherheit – aber offensichtlich …
    »Ich bin nicht schwanger«, sagte ich. »Ich wüsste es.«
    Er starrte mich stumm mit hochgezogenen Augenbrauen an. Ich würde es nicht wissen, nicht so schnell. So schnell – so schnell, dass es, wenn es so wäre und es mehr als ein Mann wäre, Zweifel geben würde. Den Vorteil dieses Zweifels bot er mir an – und sich selbst.
    Ein tiefer Schauer begann in den Tiefen meines Bauches und breitete sich blitzartig in meinem Körper aus, so dass ich trotz der Wärme im Zimmer eine Gänsehaut bekam.
    »Martha« , hatte der Mann geflüstert, während er mich mit seinem Gewicht ins Laub drückte.
    »Verdammt, verdammt, verdammt«, sagte ich ganz leise. Ich legte meine Hände ausgebreitet auf den Tisch und versuchte zu denken.
    »Martha.« Und sein säuerlicher Geruch, der Druck seiner fleischigen, feuchten Oberschenkel mit den kratzigen Haaren -
    »Nein!« Meine Beine und Pobacken pressten sich vor Ekel so fest zusammen, dass ich auf der Bank mehrere Zentimeter größer wurde.
    »Es wäre möglich -«, begann Jamie hartnäckig.
    »Nein«, wiederholte ich genauso hartnäckig. »Aber selbst wenn – Jamie, das kannst du doch nicht tun.«
    Er sah mich an, und ich sah die Angst in seinen Augen aufflackern. Das, so begriff ich mit einem Schlag, war genau das, wovor er Angst hatte. Oder eines der Dinge.
    »Ich meine, wir können es nicht«, sagte ich rasch. »Ich bin mir so gut wie sicher, dass ich nicht schwanger bin. Aber ich bin mir ganz und gar nicht
sicher, dass ich nicht mit irgendeiner widerwärtigen Krankheit in Kontakt gekommen bin.« Das war noch etwas, woran ich bis jetzt nicht gedacht hatte, und die Gänsehaut meldete sich mit voller Wucht zurück. Eine Schwangerschaft war unwahrscheinlich; Gonorrhöe oder Syphilis waren es nicht. »Wir – wir können es nicht. Nicht, bevor ich mich nicht mit Penizillin behandelt habe.«
    Ich erhob mich von der Bank, noch bevor ich den Satz beendet hatte.
    »Wohin gehst du?«, fragte er verblüfft.
    »In mein Sprechzimmer!«
    Der Flur war dunkel und das Feuer in meinem Sprechzimmer erloschen, doch davon ließ ich mich nicht aufhalten. Ich riss die Schranktür auf und fing an, hastig umherzutasten. Ein Lichtschein fiel mir über die Schulter und beleuchtete die Reihe schimmernder

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