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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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krächzend, grunzend und quietschend. Wie ein Schwein, das an einer Krähe erstickt, dachte er verächtlich.
    » Sie sind die Feiglinge«, sagte Brianna zwar leise, doch mit einem Hauch von Stahl in der Stimme. Sie spannte sich in seinen Armen ein wenig an. »Ihr Gesicht – ihr armes Gesicht! Wie konnten sie nur? Wie kann jemand so etwas tun?«
    Plötzlich sah er Claire vor seinem inneren Auge, nackt am Ufer des Teiches, schweigend wie die Felsen, ihre Brüste blutüberströmt, weil sie sich gerade die Nase gerichtet hatte. Er wich zurück, riss seine Hände geradezu fort.
    »Was?«, sagte Brianna erschrocken. »Was ist?« »Nichts.« Er zog die Hände aus ihrem Kleid und trat einen Schritt zurück. »Ich – äh, haben wir vielleicht noch Milch?«
    Sie warf ihm einen merkwürdigen Blick zu, ging jedoch in die angebaute Vorratskammer an der Rückseite des Hauses und holte einen Krug Milch. Er trank sie gierig und spürte ihre Augen auf sich, wachsam wie die einer Katze, während sie sich entkleidete und ihr Nachthemd anzog.

    Sie setzte sich auf das Bett und begann, ihr Haar auszubürsten, bevor sie es für die Nacht einflocht. Einem Impuls folgend streckte er die Hand aus und nahm ihr die Bürste ab. Ohne etwas zu sagen, fuhr er mit einer Hand durch ihr dichtes Haar, hob es hoch und strich es ihr aus dem Gesicht.
    »Du bist wunderschön«, flüsterte er und spürte, wie ihm erneut die Tränen in die Augen stiegen.
    »Du auch.« Sie legte die Hände auf seine Schultern und zog ihn langsam vor sich auf die Knie. Sie blickte ihm suchend in die Augen – und er tat sein Bestes, den Blick zu erwidern. Dann lächelte sie schwach und streckte die Hand aus, um das Band zu lösen, mit dem er seine Haare zusammengebunden hatte.
    Es fiel ihm als staubiges, schwarzes Gewirr auf die Schultern, das nach Verbranntem roch, nach altem Schweiß und Pferden. Er protestierte, als sie ihre Bürste nahm, doch sie ignorierte ihn und ließ ihn den Kopf über ihren Schoß beugen, während sie ihm Kiefernnadeln und Kletten aus den Haaren pickte und langsam die Knoten löste. Sein Kopf senkte sich weiter und weiter, und schließlich fand er sich mit der Stirn auf ihrem Schoß wieder und atmete ihren Geruch ganz aus der Nähe ein.
    Er fühlte sich an mittelalterliche Gemälde erinnert, auf denen die Sünder mit gesenktem Kopf knieten und ihre Sünden beichteten und bereuten. Presbyterianer beichteten nicht im Knien – Katholiken taten es, dachte er, genauso, im Dunklen… anonym.
    »Du hast mich gar nicht gefragt, was passiert ist«, flüsterte er schließlich in den Schatten zwischen ihren Oberschenkeln. »Hat dein Vater es dir erzählt?«
    Er hörte sie Luft holen, doch ihre Stimme war ruhig, als sie antwortete.
    »Nein.«
    Mehr sagte sie nicht, und es war still im Zimmer bis auf das Geräusch der Bürste in seinem Haar und das zunehmende Rauschen des Windes draußen.
    Wie mochte es Jamie ergehen?, fragte sich Roger plötzlich. Würde er es wirklich tun? Versuchen… Er scheute vor dem Gedanken zurück und war nicht in der Lage, ihn zu Ende zu denken. Sah stattdessen Claire vor sich, die aus der Morgendämmerung hervortrat, das Gesicht zu einer Maske geschwollen. Immer noch sie selbst, doch so isoliert wie ein ferner Planet, der im Begriff war, auf seiner Umlaufbahn in die äußeren Regionen des Weltraums aufzubrechen – wann mochte er wieder in Sicht kommen? Claire, die sich auf Jamies Drängen hin bückte, um die Toten zu berühren, um den Preis ihrer Ehre mit eigenen Augen zu sehen.
    Es war nicht die Möglichkeit einer Schwangerschaft, dachte er plötzlich. Es war Angst – doch nicht davor. Es war Jamies Angst, sie zu verlieren – dass sie gehen und sich ohne ihn in das dunkle, einsame All aufschwingen würde, wenn er sie nicht irgendwie an sich binden konnte, sie an seiner Seite
halten konnte. Doch Himmel, was für ein Risiko – wie konnte er es riskieren mit einer Frau, die so verstört war, so misshandelt worden war?
    Wie konnte er nicht?
    Brianna legte die Bürste hin, ließ aber eine Hand sanft auf seinem Kopf liegen und streichelte ihn. Er kannte diese Angst selbst nur zu gut – erinnerte sich an die Kluft, die einmal zwischen ihnen gelegen hatte, und den Mut, der nötig gewesen war, um sie zu überwinden. Um ihrer beider willen.
    Er mochte ja in mancher Hinsicht ein Feigling sein – aber nicht in dieser.
    »Brianna«, sagte er und spürte den Kloß in seinem Hals, die Narbe, die der Strick hinterlassen hatte. Sie hörte die

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