Ein Hauch von Schnee und Asche
die schiere Erleichterung über die ausbleibenden Schmerzen war, die ihn so redselig machte. Doch er schien zu begreifen, dass er den Satz beenden musste, und fuhr widerstrebend fort. »Meine Frau… hat gern gelesen.«
»Ach ja?«, murmelte ich und begann mit dem Debridement, also dem Ausschneiden, der Wunde. »Hat es ihr gefallen?«
»Ich gehe davon aus.«
Es lag ein seltsamer Unterton in seiner Stimme, der mich von meiner Arbeit aufsehen ließ. Er merkte es und wandte errötend den Blick ab.
»Ich – habe die Lektüre von Romanen nicht gebilligt. Damals.«
Er schwieg eine Minute und hielt seine Hand still. Dann platzte er heraus: »Ich habe ihre Bücher verbrannt.«
Das klang schon eher nach der Art von Reaktion, die ich von ihm erwartet hätte.
»Darüber kann sie aber nicht sehr erfreut gewesen sein«, sagte ich leise, und er betrachtete mich verblüfft, als sei die Reaktion seiner Frau derart irrelevant, dass sie keine Erwähnung verdiente.
»Äh… was hat Euch denn bewegt, Eure Meinung zu ändern?«, fragte ich, während ich mich auf die Schmutzpartikel konzentrierte, die ich mit der Pinzette aus der Wunde pickte. Splitter und Rindenfasern. Was hatte er nur getan? Einen Knüppel geschwungen, dachte ich – einen Ast? Ich atmete tief durch und konzentrierte mich angestrengt auf meine Arbeit, um nur ja nicht an die Toten auf der Lichtung zu denken.
Er bewegte unruhig die Beine; jetzt verursachte ich ihm doch leichte Schmerzen.
»Ich – es – in Ardsmuir.«
»Was? Ihr habt es im Gefängnis gelesen?«
»Nein. Dort hatten wir keine Bücher.« Er holte angestrengt Luft, sah mich an, wandte dann den Blick ab und richtete ihn auf eine Zimmerecke, in der eine unternehmungslustige Spinne Mrs. Bugs Abwesenheit ausgenutzt hatte, um ein Netz zu beginnen.
»Eigentlich habe ich es nie selbst gelesen. Aber Mr. Fraser hat es sich zur Angewohnheit gemacht, den Gefangenen die Geschichte zu erzählen. Er hat ein gutes Gedächtnis«, fügte er neidisch hinzu.
»Ja, das stimmt«, murmelte ich. »Ich werde die Wunde nicht nähen; es wird besser sein, sie offen zu lassen, damit die Flüssigkeit ablaufen kann. Es
gibt leider keine so ordentliche Narbe«, fügte ich bedauernd hinzu, »aber ich denke, sie wird gut verheilen.«
Ich trug reichlich Salbe auf die Verletzung auf und zog die Wundränder so dicht zusammen, wie ich es konnte, ohne die Blutzufuhr abzuschnüren. Brianna hatte mit selbstklebenden Pflastern herumexperimentiert und etwas ganz Nützliches zustande gebracht – kleine schmetterlingsförmige Läppchen aus gestärktem Leinen und Kiefernteer.
»Dann hat Euch Tom Jones also gefallen, ja?«, kehrte ich zum Thema zurück. »Ich hätte nicht gedacht, dass ihr ihn für einen bewundernswerten Charakter halten würdet. Ich meine, er ist kein besonderes moralisches Vorbild.«
»Das tue ich auch nicht«, sagte er unverblümt. »Aber ich habe eingesehen, dass Romanliteratur -«, er sprach das Wort vorsichtig aus, als sei es gefährlich, »- vielleicht doch nicht nur zu Untätigkeit und Verruchtheit verleitet, wie ich gedacht hatte.«
»Ach, nein?«, sagte ich belustigt, versuchte aber aus Rücksicht auf meine Lippe, nicht zu lächeln. »Was sind denn Eurer Meinung nach ihre rettenden Vorzüge?«
»Aye, nun ja.« Er runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich fand es höchst bemerkenswert. Dass etwas, das im Grunde nicht mehr ist als ein Lügengespinst, es irgendwie doch zu einer nützlichen Wirkung brachte. Denn so ist es gewesen«, schloss er und klang überrascht.
»Tatsächlich? Inwiefern?«
Er legte den Kopf schief und überlegte.
»Es bot natürlich Ablenkung. Unter solchen Umständen ist Ablenkung nichts Böses« versicherte er mir. »Zwar ist es natürlich erstrebenswerter, sich ins Gebet zu flüchten…«
»Oh, natürlich«, murmelte ich.
»Aber darüber hinaus… hat es die Männer zusammengeschweißt. Man würde ja nicht glauben, dass sich solche Männer – Highlander, Bauern – mit… solchen Situationen, solchen Personen identifizieren würden.« Er wies mit der freien Hand auf das Buch und damit auf solche Personen wie Squire Allworthy und Lady Bellaston, vermutete ich.
»Aber sie haben sich stundenlang darüber unterhalten – sich am nächsten Tag bei der Arbeit gefragt, warum sich Junker Northerton gegenüber Miss Western so verhalten hatte, wie er es getan hatte, und darüber diskutiert, ob sie sich wohl selbst genauso verhalten hätten.« Sein Gesicht erhellte sich ein wenig, als er sich
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