Ein Hauch von Schnee und Asche
einer Pistole treffen, Tante Claire«, sagte er nachsichtig und trat ein.
»Das wüsste derjenige aber nicht, oder?« Ich legte die Pistole vorsichtig hin. Meine Handflächen waren feucht, und meine Finger schmerzten.
Er nickte, weil er begriff, was ich meinte, und setzte sich.
»Wo ist Jamie?«, fragte ich.
»Er wäscht sich. Geht es dir gut, Tante Claire?« Seine sanften grün-braunen
Augen verschafften sich beiläufig, aber sorgfältig einen Eindruck von meinem Zustand.
»Nein, aber ich werd’s überleben.« Ich zögerte. »Und… Mr. Brown? Hat er – euch irgendetwas erzählt?«
Ian stieß ein verächtliches Geräusch aus.
»Hat sich in die Hosen gemacht, als Jamie den Dolch aus dem Gürtel gezogen hat, um sich die Fingernägel zu reinigen. Wir haben ihn nicht angerührt, Tante Claire, keine Sorge.«
An diesem Punkt kam Jamie herein, glatt rasiert, die Haut kalt und frisch vom Brunnenwasser, das Haar feucht an den Schläfen. Trotzdem sah er todmüde aus, die Falten hatten sich tief in sein Gesicht gegraben, und seine Augen lagen im Schatten. Dieser Schatten hob sich jedoch ein wenig, als er mich mit der Pistole sah.
»Ist schon gut, a nighean «, sagte er leise und berührte meine Schulter, als er sich neben mich setzte. »Ich habe Männer eingeteilt, die das Haus bewachen – für alle Fälle. Obwohl ich frühestens in ein paar Tagen Ärger erwarte.«
Der Atem entfuhr mir in einem langen Seufzer.
»Das hättest du mir doch sagen können.«
Er warf mir einen überraschten Blick zu.
»Ich bin davon ausgegangen, dass du es weißt. Du hast doch wohl nicht gedacht, ich würde dich schutzlos zurücklassen, oder, Sassenach?«
Ich schüttelte den Kopf, denn im Moment konnte ich nichts sagen. Wäre ich zu logischem Denken in der Lage gewesen, hätte ich das natürlich nicht gedacht. So aber hatte ich den Nachmittag in einem Zustand stummer – und unnötiger – Todesangst verbracht, mir Dinge ausgemalt, mich an Dinge erinnert …
»Es tut mir Leid, Liebes«, sagte er leise und legte seine große, kalte Hand auf die meine. »Ich hätte dich nicht allein lassen sollen. Ich dachte -«
Ich schüttelte den Kopf, legte aber meine andere Hand auf die seine und drückte fest zu.
»Nein, es war schon gut so. Abgesehen von Sancho Pansa hätte ich keine Gesellschaft ertragen können.«
Er richtete den Blick auf Don Quichote , dann auf mich, und zog die Augenbrauen hoch. Das Buch war auf Spanisch.
»Nun, es ist zum Teil sehr dicht am Französischen, und die Geschichte kenne ich sowieso«, sagte ich. Ich holte tief Luft, tröstete mich, so gut es ging, an der Wärme des Feuers, dem Flackern der Kerze und an der Nähe der beiden Männer, kräftig, solide, pragmatisch und – zumindest nach außen hin – nicht aus der Fassung zu bringen.
»Gibt es irgendetwas zu essen, Tante Claire?«, erkundigte sich Ian und stand auf, um nachzusehen, da ich selbst keinen Appetit hatte und zu nervös war, um mich in irgendeiner Richtung zu konzentrieren. Ich hatte weder
zu Mittag gegessen, noch Abendessen gemacht – doch in diesem Haus gab es immer Essen. Und ohne große Umschweife hatten sich Jamie und Ian in kürzester Zeit mit den Resten einer kalten Rebhuhnpastete versorgt, einigen hartgekochten Eiern, einem Schüsselchen Mixed Pickles und einem halben Brotlaib, den sie in Scheiben schnitten und an einer Gabel über dem Feuer rösteten, woraufhin sie die Scheiben mit Butter bestrichen und sie auf eine Weise in mich hineinstopften, die keinen Widerspruch duldete.
Heißer Toast mit Butter hat etwas unbeschreiblich Tröstendes, selbst wenn man vorsichtig mit einem verletzten Kiefer daran herumknabbert. Mit vollem Magen fühlte ich mich bald viel ruhiger und war im Stande, mich zu erkundigen, was sie von Lionel Brown erfahren hatten.
»Er hat alles auf Hodgepile geschoben«, sagte Jamie zu mir, während er sich Pickles auf ein Stück Pastete lud. »Was ja zu erwarten war.«
»Du bist Arvin Hodgepile schließlich nicht begegnet«, sagte ich und erschauerte leise. »Äh … lebend, meine ich.«
Er warf mir einen scharfen Blick zu, ging aber nicht weiter darauf ein, sondern überließ es Ian, mir Browns Version der Ereignisse zu schildern.
Alles hatte damit angefangen, dass er und sein Bruder Richard ihr Komitee für die Sicherheit ins Leben riefen. Dies, so hatte er beharrlich behauptet, war nur als Dienst an der Gemeinschaft gedacht, schlicht und ergreifend. Bei diesen Worten prustete Jamie verächtlich, unterbrach aber
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