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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Tür. Wir hörten ein schabendes Geräusch, als ein kleiner Tisch bewegte wurde, und ein leises Rumpeln, als er vor die Tür geschoben wurde.
    Jamie und ich wechselten einen verblüfften Blick.
    Kichern ertönte hinter der geschlossenen Tür, begleitet von Knarr- und Raschelgeräuschen.
    »Er wird doch nicht -«, setzte Jamie an und hielt dann abrupt inne. Seine Miene war ungläubig. »Oder?«
    Offenbar schon, nach dem leisen rhythmischen Knarren zu schließen, dass jetzt im Sprechzimmer ertönte.
    Ich spürte, wie mich eine leise Wärme durchspülte, gemeinsam mit einem schwachen Gefühl der Schockiertheit – und einem etwas kräftigeren Bedürfnis zu lachen.
    »Nun ja… äh… man sagt ja, dass es… ähm… manchmal die Wehen zu fördern scheint. Wenn ein Kind überfällig war, haben die maitresses-sagefemme in Paris den Frauen manchmal gesagt, sie sollten dafür sorgen, dass sich ihre Männer betranken und… äh-hm.«
    Jamie richtete einen ungläubigen Blick auf die Sprechzimmertür, unter den sich widerstrebender Respekt mischte.
    »Dabei hat er nicht einen Schluck getrunken. Nun ja, wenn er das vorhat, dann hat der Kerl Mumm, das muss ich ihm lassen.«
    Ian, der durch den Flur kam und diesen letzten Wortwechsel mitbekam, blieb abrupt stehen. Er lauschte einen Moment auf die Geräusche, die aus dem Sprechzimmer drangen, blickte von Jamie und mir zur Tür und wieder zurück, dann schüttelte er den Kopf, drehte sich um und ging zurück zur Küche.
    Jamie streckte die Hand aus und schloss sacht die Studierzimmertür.
    Er setzte sich kommentarlos wieder hin, ergriff sein Schreibwerkzeug und begann, hartnäckig vor sich hin zu kritzeln. Ich trat an das kleine Bücherregal und starrte auf die Sammlung abgewetzter Bücherrücken, ohne wirklich etwas zu sehen.
    Manchmal waren Ammenmärchen nicht mehr als das. Manchmal jedoch schon.
    Ich wurde selten durch persönliche Erinnerungen beunruhigt, während ich mit einem Patienten befasst war; ich hatte weder Zeit noch Aufmerksamkeit dafür übrig. Doch zurzeit hatte ich zu viel von beidem. Und mir kam eine sehr lebhafte Erinnerung an die Nacht vor Briannas Geburt.

    Die Leute sagen oft, dass Frauen vergessen, wie sich eine Geburt anfühlt, weil es sonst niemand öfter als einmal tun würde. Ich persönlich konnte mich ohne Probleme daran erinnern.
    Vor allem an das furchtbare Gefühl der Trägheit. Diese endlose Zeit am Schluss, wenn man das Gefühl hat, dass es niemals enden wird, dass man in einer prähistorischen Teergrube feststeckt und selbst die kleinste Bewegung ein Kampf ist, der zur Vergeblichkeit verdammt ist. Jeder Quadratzentimeter Haut ist so überspannt wie die eigene Laune.
    Man vergisst es nicht. Man gelangt einfach nur an einen Punkt, an dem es egal ist, wie sich die Geburt anfühlen wird; alles ist besser, als auch nur eine Sekunde länger schwanger zu sein.
    Ich hatte diesen Punkt gut zwei Wochen vor dem Termin erreicht, an dem ich ausgezählt war. Der Termin kam – und verstrich. Eine Woche später befand ich mich in einem Zustand chronischer Hysterie, sofern es möglich war, gleichzeitig hysterisch und erstarrt zu sein.
    Frank hatte es zwar körperlich besser als ich, doch sein Nervenkostüm stand dem meinen in nichts nach. Wir hatten beide Todesangst – nicht nur vor der Geburt, sondern zusätzlich vor dem, was danach kam. Da Frank nun einmal Frank war, reagierte er auf die Angst, indem er sehr still wurde und sich in sich selbst zurückzog, an einen Ort, an dem er die Geschehnisse kontrollieren konnte, indem er sich weigerte, irgendetwas an sich heranzulassen.
    Doch ich war nicht in der Stimmung, die Grenzen anderer zu respektieren, und brach in Verzweiflungstränen aus, nachdem mich ein gut gelaunter Frauenarzt davon in Kenntnis gesetzt hatte, dass mein Muttermund noch vollständig verschlossen war und »es noch ein paar Tage dauern konnte – vielleicht auch noch eine Woche.«
    Um mich zu beruhigen, hatte Frank sich darauf verlegt, mir die Füße zu massieren. Dann meinen Rücken, meinen Nacken, alle Stellen, an denen ich mich von ihm berühren ließ. Und schließlich hatte ich nicht mehr gekonnt und still dagelegen und mich von ihm berühren lassen. Und … und wir hatten beide Angst, hatten beide ein furchtbares Bedürfnis nach Sicherheit, und keiner von uns fand die Worte, mit denen er sie hätte geben können.
    Und er schlief mit mir, langsam und sanft, und wir schliefen eng umschlungen ein – und wachten ein paar Stunden später panisch

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