Ein Hauch von Schnee und Asche
willkommene Besucher zu vertreiben, solange sich Mrs. Bug um die Hühner kümmerte. Doch ich hatte einen Brennnesselabsud im Sprechzimmer aufgesetzt und musste danach sehen. Ich konnte mich darauf verlassen, dass Ian sich um sie kümmern würde.
Nachdem ich sie mit Erfrischungen versorgt hatte, flüchtete ich in mein Sprechzimmer und verbrachte eine angenehme Viertelstunde mit meinen Kräutern. Ich füllte Infusionen ab und trennte einen Berg Rosmarinzweige voneinander, um sie zu trocknen, umgeben vom durchdringenden Duft und dem Frieden der Pflanzen. Solche Momente des Alleinseins waren in diesen Tagen selten, da überall Kinder aus dem Boden schossen wie die Pilze. Ich wusste, dass Marsali es nicht abwarten konnte, nach Hause zurückzukehren – aber ich ließ sie nur ungern gehen, solange Fergus nicht da war, um ihr zumindest irgendwie zur Hand zu gehen.
»Dieser verflixte Kerl«, murmelte ich. »So ein kleiner Egoist.«
Offenbar war ich nicht die Einzige, die so dachte. Als ich in einer Duftwolke aus Rosmarin und Ginsengwurzel wieder durch den Flur kam, hörte ich, wie Marsali Ian gegenüber eine ähnliche Meinung zum Ausdruck brachte.
»Aye, ich weiß, dass er sich überrumpelt fühlt, wer würde das nicht?«, sagte sie gerade mit sehr verletzter Stimme. »Aber warum muss er denn weglaufen und uns allein lassen? Hast du mit ihm gesprochen, Ian? Hat er irgendetwas gesagt ?«
Das war es also. Ian war auf einer seiner rätselhaften Wanderungen gewesen; er musste Fergus irgendwo begegnet sein und es Marsali erzählt haben.
»Aye«, sagte er nach kurzem Zögern. »Ein paar Worte.« Ich hielt mich im Hintergrund, weil ich sie nicht unterbrechen wollte, doch ich konnte sein Gesicht sehen, und das Mitgefühl, das seinen Blick verschleierte, strafte
seine wilden Tätowierungen Lügen. Er beugte sich über den Tisch und streckte die Arme aus. »Kann ich ihn in den Arm nehmen, Cousinchen? Bitte?«
Marsali richtete sich überrascht auf, reichte ihm aber das Baby, das ein wenig in seinem Deckchen strampelte, sich aber schnell an Ians Schulter kuschelte und kleine Schmatzlaute von sich gab. Ian senkte lächelnd den Kopf und strich mit den Lippen über Henri-Christians großen runden Kopf.
Er sagte leise etwas zu dem Baby, und ich glaubte, dass es auf Mohawk war.
»Was hast du da gesagt?«, fragte Marsali neugierig.
»Man könnte es wohl einen Segen nennen.« Ganz sanft tätschelte er Henri-Christian den Rücken. »Man ruft den Wind an, ihn willkommen zu heißen, den Himmel, ihm Schutz zu gewähren, und Wasser und Erde, ihn satt zu machen.«
»Oh.« Marsalis Stimme war leise. »Wie wunderschön, Ian.« Doch dann setzte sie sich gerade hin und ließ sich nicht länger ablenken. »Du sagst, du hast mit Fergus gesprochen?«
Ian nickte mit geschlossenen Augen. Seine Wange ruhte leicht auf dem Kopf des Babys. Im ersten Moment sagte er nichts, doch ich sah, wie sich seine Kehle bewegte und sein Adamsapfel beim Schlucken auf und ab hüpfte.
»Ich habe auch ein Kind gehabt, Cousinchen«, flüsterte er so leise, dass ich ihn kaum hörte.
Marsali hörte ihn. Sie erstarrte, und die Nadel, nach der sie gerade gegriffen hatte, glitzerte in ihrer Hand. Dann legte sie sie ganz langsam wieder hin.
»Ist das so?«, sagte sie genauso leise. Dann stand sie auf, umrundete mit sanft raschelnden Röcken den Tisch, um sich neben ihm auf die Bank zu setzen, so dicht, dass er sie dort spüren konnte, und legte ihm ihre kleine Hand auf den Ellbogen.
Ohne die Augen zu öffnen, holte er tief Luft und fing an zu reden, das Baby an sein Herz geschmiegt, seine Stimme kaum lauter als das Knistern des Feuers.
Er erwachte in dem sicheren Bewusstsein, dass etwas nicht stimmte. Er rollte sich zum hinteren Teil der Plattform, wo seine Waffen bereitlagen, doch bevor er zu Messer oder Speer greifen konnte, hörte er erneut das Geräusch, das ihn geweckt haben musste. Es war hinter ihm, war nicht mehr als ein leises Atemanhalten, doch er hörte Schmerz und Angst darin.
Das Feuer war schon weit heruntergebrannt; er sah nicht mehr als die Oberseite von Wako’teqehsnonhsas Kopf als Umriss vor der roten Glut und die Rundungen ihrer Schultern und Hüften unter den Pelzen. Sie regte sich nicht und gab auch keinen Ton von sich, doch irgendetwas an ihrer
reglosen, dunklen Silhouette traf ihn mitten ins Herz wie ein Tomahawkhieb.
Er packte sie fest an der Schulter und beschwor sie, gesund zu sein. Ihre Knochen zeichneten sich klein und hart unter
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