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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Auch sie war leicht errötet, und ihr Blick war lauschend nach innen gewandt. »So ist es immer.«
    Ich überprüfte erneut den Herzschlag – keine große Veränderung; immer noch holperig, aber nicht schwächer – und entschuldigte mich. Jamie war in seinem Studierzimmer auf der anderen Flurseite. Ich trat ein und setzte mich zu ihm, um zur Stelle zu sein, wenn ich gebraucht wurde.
    Er war dabei, seine allabendliche Notiz an seine Schwester zu schreiben, und unterbrach sich dann und wann, um sich die verkrampfte rechte Hand zu massieren, bevor er fortfuhr. Oben brachte Mrs. Bug die Kinder zu Bett. Ich konnte hören, wie Felicité weinte und Germain versuchte, ihr etwas vorzusingen.
    Auf der anderen Flurseite leises Rascheln und Murmeln, dann knarrte der Tisch, als Marsali die Lage wechselte. Und in den Tiefen meines inneren Ohrs wie ein Echo meines Pulsschlags der sanfte, schnelle Schlag eines Babyherzens.
    Es konnte so leicht böse enden.
    »Was machst du da, Sassenach?«
    Ich blickte erschrocken auf.
    »Ich mache doch gar nichts.«
    »Du starrst vor dich hin, als wolltest du durch die Wand sehen, und es hat nicht den Anschein, als gefiele dir, was du da siehst.«
    »Oh.« Ich senkte den Blick und begriff, dass ich den Stoff meines Rocks wiederholt zwischen meinen Fingern in Falten gelegt und wieder geglättet hatte; der rehbraune Leinenstoff hatte eine große zerknitterte Stelle. »Ich rekapituliere wohl meine Niederlagen.«

    Er sah mich einen Moment an, dann stand er auf und trat hinter mich, um mir mit kräftigen, warmen Händen die Schultern zu kneten.
    »Was denn für Niederlagen?«, fragte er.
    Ich schloss die Augen und ließ meinen Kopf nach vorn sinken, während ich mir Mühe gab, nicht aufzustöhnen, weil meine verknoteten Muskeln so schmerzten und ich gleichzeitig diese herrliche Erleichterung empfand.
    »Oh«, sagte ich und seufzte. »Patienten, die ich nicht retten konnte. Fehler. Katastrophen. Unfälle. Totgeburten.«
    Dieses letzte Wort blieb in der Luft hängen, und seine Hände pausierten eine Sekunde, bevor sie umso kräftiger fortfuhren.
    »Aber es gibt doch sicher Situationen, in denen es nichts gibt, was du tun könntest? Du oder sonst jemand. Manchmal kann einfach niemand helfen, aye?«
    » Du glaubst das ja auch nicht, wenn es dich trifft«, sagte ich, »warum sollte ich es tun?«
    Er hielt mit seiner Massage inne, und ich sah mich zu ihm um. Er öffnete den Mund, um mir zu widersprechen, dann begriff er, dass es nichts gab, was er sagen konnte. Er schüttelte den Kopf, seufzte und fuhr fort.
    »Aye, nun ja. Das stimmt wohl«, sagte er trocken.
    »Ob es das ist, was die Griechen Hybris nannten?«
    Er stieß einen kurzen Prustlaut aus, vielleicht vor Belustigung.
    »O ja. Und du weißt, wohin das führt.«
    »Zu einem einsamen Felsen unter brennender Sonne, wo ein Geier an deiner Leber herumfrisst«, sagte ich und lachte.
    Jamie lachte ebenfalls.
    »Aye, nun ja, auf einem einsamen Felsen unter brennender Sonne bekommt man doch gern Gesellschaft, finde ich. Und damit meine ich nicht den Geier.«
    Seine Hände drückten ein letztes Mal meine Schultern, doch er zog sie nicht fort. Ich schloss die Augen, lehnte mich mit dem Kopf an ihn und suchte Trost in seiner Nähe.
    In der Stille dieses Moments konnten wir leise Geräusche von der anderen Flurseite hören, aus dem Sprechzimmer. Ein ersticktes Grunzen aus Marsalis Mund, als eine Wehe kam, eine leise Frage auf Französisch von Fergus.
    Ich hatte das Gefühl, dass wir sie eigentlich nicht belauschen sollten – aber keinem von uns fiel etwas ein, das er hätte sagen können, um die Geräusche ihrer intimen Unterhaltung zu übertönen.
    Ein Murmeln von Marsali, eine Pause, dann sagte Fergus zögernd etwas.
    »Aye, wie wir es schon bei Felicité gemacht haben«, kam Marsalis Stimme gedämpft, aber klar verständlich.
    » Oui , aber -«
    »Dann verbarrikadierst du eben die Tür«, sagte sie, und es klang ungeduldig.

    Wir hörten Schritte, dann öffnete sich die Tür des Sprechzimmers. Fergus stand dort, das dunkle Haar verworren, das Hemd halb aufgeknöpft, und sein schönes Gesicht unter den Schatten der Bartstoppeln tiefrot. Er sah uns, und ein ganz außergewöhnlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. Stolz, Verlegenheit und etwas undefinierbar… Französisches. Er bedachte Jamie mit einem schiefen Lächeln und einem einschultrigen Achselzucken, das an gallischer Sorglosigkeit nicht zu übertreffen war – und dann schloss er fest die

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