Ein Hauch von Schnee und Asche
aufschreckte.
Fergus war fort, nur die Tür schwang noch nach. Die Ziege rief ihm ein lang gezogenes, missbilligendes Määäh! hinterher.
Ich klammerte mich an die Umzäunung des Pferchs, als sei sie das einzig Feste in einer Welt, die langsam ins Trudeln geriet. Als der Schwindel nachließ, bückte ich mich und tastete vorsichtig im Stroh nach dem Haken, dem Fergus’ Körperwärme noch anhaftete. Ich zog ihn hervor und befreite ihn sorgfältig mit meiner Schürze von Stroh und Dung, Fergus’ letzte Worte noch im Ohr.
»Mein Gott! Er ist genauso nutzlos wie ich!«
38
Ein Teufel in der Milch
Henri-Christian schielte fürchterlich, so sehr strengte er sich an, dem Wollpompon zu folgen, den Brianna über seinem Gesicht baumeln ließ.
»Ich glaube, seine Augen bleiben blau«, sagte sie und musterte das Baby nachdenklich. »Was meinst du wohl, wohin er sieht?« Er lag auf ihrem Schoß, und besagte blaue Augen waren auf irgendetwas weit hinter ihr gerichtet.
»Oh, wenn sie so klein sind, können sie noch den Himmel sehen, hat meine Mutter immer gesagt.« Marsali probierte Briannas neues Pedalspinnrad aus, um Wolle zu spinnen, richtete aber rasch einen Blick auf ihren jüngsten Sohn und lächelte ein wenig. »Vielleicht hast du ja einen Engel auf der Schulter sitzen, aye? Oder hinter dir steht ein Heiliger.«
Bei diesen Worten beschlich Brianna das seltsame Gefühl, es stünde tatsächlich jemand hinter ihr. Doch es war nicht gruselig – eher ein leises, beruhigendes Gefühl der Wärme. Sie öffnete den Mund, um zu sagen: »Vielleicht ist es mein Vater«, besann sich aber gerade noch rechtzeitig.
»Wer ist denn der Schutzpatron des Wäschewaschens?«, sagte sie stattdessen. »Den könnten wir brauchen.« Es regnete; regnete seit Tagen, und überall im Zimmer lagen kleine Kleiderberge, oder einzelne Stücke waren über die Möbel gebreitet: Nasse Wäsche in verschiedenen Trocknungsstadien, Schmutzwäsche, die im Waschkessel landen würde, sobald das Wetter besser wurde, weniger schmutzige Teile, die man bürsten, ausschlagen oder sonst wie mit Gewalt dazu bringen konnte, dass sie sich noch ein paar Tage tragen ließen, und ein stets wachsender Haufen von Kleidern, die geflickt werden mussten.
Marsali lachte, während sie das Garn mit geschickten Fingern auf die Spule rollte.
»Danach müsstest du Pa fragen. Er kennt mehr Heilige als irgendjemand sonst. Dieses Spinnrad ist wunderbar! Wie bist du nur darauf gekommen?«
»Oh – ich hab’s irgendwo gesehen.« Sie tat die Frage mit einer Handbewegung ab. Sie hatte tatsächlich ein solches Spinnrad gesehen – in einem Heimatmuseum. Es zu bauen, war zeitaufwändig gewesen – zuerst hatte sie eine rudimentäre Drechselbank bauen und das Holz für das eigentliche Rad einweichen und zurechtbiegen müssen -, aber nicht sehr schwierig. »Ronnie Sinclair war mir eine große Hilfe dabei; er weiß, wozu man Holz bringen kann und wozu nicht. Ich kann gar nicht glauben, wie gut du damit zurechtkommst, obwohl du es zum ersten Mal benutzt.«
Marsali prustete und tat ihrerseits das Kompliment ab.
»Ich kann schon spinnen, seit ich fünf bin, a piuthar . Das Einzige, was hierbei anders ist, ist dass ich sitzen bleiben kann, anstatt hin und her zu gehen, bis ich vor Müdigkeit umfalle.«
Ihre mit Strümpfen bekleideten Füße huschten unter dem Saum ihres Kleides hin und her, um das Pedal anzutreiben. Es machte ein angenehmes Surrgeräusch – obwohl es unter dem Geplapper am anderen Ende des Zimmers kaum zu hören war, wo Roger noch ein weiteres Auto für die Kinder schnitzte.
Brumms waren der Renner bei den Kleinen, und die Nachfrage ließ nicht nach. Sie sah belustigt zu, wie sich Roger geschickt mit dem Ellbogen gegen Jems Vorwitznase verteidigte. Er hatte die Stirn konzentriert gerunzelt. Seine Zungenspitze hatte sich zwischen seine Zähne geschoben, und Holzspäne übersäten den Kamin und seine Kleider, und einer hatte sich – natürlich – in seinem Haar verfangen, ein heller Kringel auf dunklem Hintergrund.
»Was für einer ist das?«, fragte sie laut genug, dass er sie hören konnte. Er blickte auf, seine Augen moosgrün im gedämpften Regenlicht des Fensters hinter ihm.
»Ich glaube, es ist ein Chevrolet Pickup-Truck, Baujahr 57«, sagte er grinsend. »Hier, bitte, a nighean . Der ist für dich.« Er strich einen letzten Holzspan von seiner Kreation und reichte Felicité das klobige Spielzeug, das sie ehrfurchtsvoll mit großen Augen und offenem Mund
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