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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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dabei gedacht, nur gehofft, dass es nicht zu sehr schmerzen würde. Aber dann bin ich Milord begegnet und habe eine Welt jenseits des Bordells und der Straßen gefunden. Dass mein Sohn an solche Orte zurückkehren könnte…« Er hielt abrupt inne, unfähig zu sprechen. Er schloss erneut die Augen und schüttelte langsam den Kopf.
    »Fergus. Lieber Fergus. Du kannst doch nicht glauben, dass Jamie – dass wir – so etwas jemals zulassen würden«, sagte ich über die Maßen bestürzt.
    Zitternd holte er tief Luft und strich die Tränen fort, die an seinen Wimpern hingen. Er öffnete die Augen und lächelte mich unendlich traurig an.
    »Nein, natürlich nicht, Milady. Aber Ihr werdet nicht ewig leben und Milord auch nicht. Und ich auch nicht. Aber das Kind wird ewig ein Zwerg bleiben. Und les petits , sie können sich doch kaum selbst verteidigen. Sie werden von jenen aufgelesen, die nach ihnen suchen, werden aufgesammelt und verzehrt.« Er wischte sich die Nase an seinem Ärmel ab und setzte sich etwas gerader hin.
    »Falls sie so viel Glück haben«, fügte er hinzu, und seine Stimme wurde härter. »Außerhalb der Städte schätzt sie niemand sehr. Die Bauern, sie glauben, dass die Geburt eines solchen Kindes bestenfalls ein Urteil für die Sünden seiner Eltern ist.« Ein tiefer Schatten huschte über sein Gesicht, und seine Lippen spannten sich an. »Vielleicht ist es ja so. Meine Sünden -« Doch er verstummte abrupt und wandte sich ab.
    »Schlimmstenfalls -«, seine Stimme war leise, sein Kopf abgewandt, als flüsterte er den Schatten der Höhle Geheimnisse zu, »schlimmstenfalls sieht man sie als Monstrositäten an; Kinder eines Dämons, der mit der Frau geschlafen hat. Man steinigt sie, verbrennt sie; in den Bergdörfern Frankreichs
lässt man Zwergenkinder für die Wölfe liegen. Aber wisst Ihr diese Dinge denn nicht, Milady?«, fragte er und wandte sich wieder zu mir um.
    »Ich – ich denke schon«, sagte ich und streckte die Hand nach der Wand aus, weil ich plötzlich eine Stütze brauchte. Ich hatte von solchen Dingen gewusst, in der abstrakten Art, in der man an die Sitten der Eingeborenen und Wilden denkt – von Menschen, denen man nie begegnen wird, in der sicheren Entfernung der Geografiebücher und der alten Geschichten.
    Er hatte Recht; ich wusste es. Mrs. Bug hatte sich bekreuzigt, als sie das Kind sah, und dann das Zeichen des Horns zum Schutz gegen das Böse gemacht, schreckensbleich im Gesicht.
    Erschrocken, wie wir alle gewesen waren, und dann um Marsali besorgt und mit Fergus’ Abwesenheit beschäftigt, war ich mindestens eine Woche nicht aus dem Haus gekommen. Ich hatte keine Ahnung, was die Leute auf dem Berg sagten.
    Fergus offensichtlich schon.
    »Sie… werden sich daran gewöhnen«, sagte ich, so tapfer ich konnte. »Die Leute werden sehen, dass er kein Monstrum ist. Es wird eine Weile dauern, aber ich verspreche dir, sie werden es merken.«
    »Ach ja? Und wenn sie ihn am Leben lassen, was wird er dann tun?« Er erhob sich abrupt. Er streckte den linken Arm aus und löste mit einem Ruck den Lederriemen, der seinen Haken an Ort und Stelle hielt. Er fiel mit einem leisen Plumps ins Stroh, und der schmale Stumpf seines Handgelenks lag bloß, seine bleiche Haut rot gestreift, weil sie so eng eingeschnürt gewesen war.
    »Ich kann nicht jagen, kann keine richtige Männerarbeit verrichten. Das Einzige, wozu ich in der Lage bin ist, den Pflug zu ziehen wie ein Maultier!« Seine Stimme zitterte vor Wut und Selbstverachtung. »Wenn ich schon nicht arbeiten kann wie ein Mann, wie soll es dann ein Zwerg tun?«
    »Fergus, es ist doch nicht -«
    »Ich kann meine Familie nicht ernähren! Meine Frau muss Tag und Nacht arbeiten, um die Kinder zu ernähren, muss sich mit Abschaum auseinander setzen, der sie missbraucht, der… Selbst wenn ich in Paris wäre, für die Hurerei bin ich zu alt!« Mit verzerrtem Gesicht schüttelte er den Stumpf in meine Richtung, dann fuhr er herum, holte mit dem verstümmelten Arm aus und hieb wieder und wieder gegen die Wand.
    »Fergus!« Ich packte seinen anderen Arm, doch er entriss ihn mir.
    »Was für eine Arbeit wird er verrichten?«, rief er, und die Tränen strömten ihm über das Gesicht. »Wie soll er leben? Mon Dieu! Il est aussi inutile que moi! «
    Er bückte sich und hob den Haken vom Boden auf, dann schleuderte er ihn gegen die Kalksteinwand, so fest er konnte. Er landete mit einem leisen Klingeln, dann fiel er ins Stroh, wo er die Ziege und ihre Jungen

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