Ein Hauch von Schnee und Asche
und sah auf seine Hände hinunter, die er lose auf dem Schoß
verschränkt hatte. Es schien, als hätte er sie nicht gehört. Schließlich jedoch regte er sich wie eine erwachende Statue. Ohne aufzublicken, griff er in sein Hemd und zog ein kleines, zusammengerolltes Bündel hervor, das mit Haarzwirn zusammengebunden und mit Wampum-Perlen verziert war.
Er öffnete es, beugte sich vor und breitete dem Baby das gegerbte Fell eines ungeborenen Wolfs über die Schultern. Seine große, knochige Hand glättete den hellen Pelz und blieb einen Moment auf Marsalis Hand liegen, die das Kind festhielt.
»Glaub mir, liebe Cousine«, sagte er ganz leise, »er trauert.« Dann erhob er sich und ging, lautlos wie ein Indianer.
37
Le Maître des Champignons
Die kleine Kalksteinhöhle, die uns als Stall diente, beherbergte im Moment nur eine Ziege mit zwei neugeborenen Jungen. Das Wetter war noch mild, und alle im Frühling geborenen Tiere waren längst groß genug, um mit ihren Müttern frei im Wald Futter zu suchen. Die Ziege allerdings genoss Zimmerservice in Form von Küchenabfällen und zerstoßenen Maiskörnern.
In der Nacht hatte es geregnet, und der Morgen brach feucht und bewölkt an; jedes Blatt tropfte, und es roch nach Harz und nassem Mulch. Zum Glück dämpfte der bewölkte Himmel die Unternehmungslust der Vögel; die Eichelhäher und Nachtigallen lernten schnell, und ihre Perlenaugen hielten stets Ausschau nach Menschen mit Essbarem – sie attackierten mich regelmäßig, wenn ich mit meiner Schüssel bergauf stapfte.
Ich war auf der Hut, doch trotzdem schoss ein vorwitziger Eichelhäher wie ein blauer Blitz von einem Ast herbei. Er jagte mir einen Schrecken ein, weil er in der Schüssel landete. Bevor ich reagieren konnte, hatte er ein Stück Maistörtchen stibitzt und war wieder fort, so schnell, dass ich kaum glauben konnte, dass ich ihn gesehen hatte, hätte mein Herz nicht so gerast. Zum Glück hatte ich die Schüssel nicht fallen gelassen; ich hörte Triumphgekreisch in den Bäumen und beeilte mich, in den Stall zu kommen, bevor es die Kumpel des Eichelhähers mit derselben Taktik versuchen konnten.
Überrascht stellte ich fest, dass die obere Hälfte der geteilten Tür nicht verriegelt war und ein paar Zentimeter offen stand. Natürlich bestand keine Gefahr, dass die Ziegen entwischten, doch Füchse und Waschbären konnten die untere Hälfte problemlos überklettern, daher wurden normalerweise beide Türen über Nacht verriegelt. Vielleicht hatte Mr. Wemyss es vergessen;
es war seine Aufgabe, den Stall auszumisten und das Vieh für die Nacht zu versorgen.
Doch sobald ich die Tür aufdrückte, sah ich, dass Mr. Wemyss keine Schuld traf. Zu meinen Füßen raschelte es heftig im Stroh, und etwas Großes bewegte sich im Dunklen.
Ich stieß einen abrupten Schreckensruf aus, und diesmal ließ ich die Schüssel los, so dass sie scheppernd zu Boden fiel und die Ziege weckte, die sich die Kehle aus dem Hals meckerte.
» Pardon , Milady!«
Meine Hand fuhr an mein hämmerndes Herz, und ich trat aus der Tür, so dass das Licht auf Fergus fiel, der am Boden hockte. Strohhalme ragten ihm aus dem Haar wie der Verrückten von Chaillot.
»Oh, da bist du ja«, sagte ich frostig.
Er blinzelte, schluckte und rieb sich mit der Hand über das Gesicht, das von sprießenden Bartstoppeln verdunkelt wurde.
»Ich – ja«, sagte er. Dem schien er nichts hinzuzufügen zu haben. Ich blieb ein paar Sekunden stehen und sah funkelnd zu ihm hinunter, dann schüttelte ich den Kopf und bückte mich, um die Kartoffelschalen und anderen Essensreste wieder einzusammeln, die aus der Schüssel gefallen waren. Er setzte sich in Bewegung, als wollte er mir helfen, doch ich gebot ihm mit einer Geste Einhalt.
Er saß still da und beobachtete mich, die Hände um die Knie geschlungen. Es war dämmerig im Inneren des Stalls, und es tropfte unablässig aus den Pflanzen, die oberhalb der Stalltür auf dem Hügel wuchsen, so dass vor der Tür ein Vorhang aus fallenden Wassertropfen hing.
Die Ziege hatte aufgehört zu lärmen, weil sie mich erkannt hatte, doch jetzt reckte sie den Hals durch die Umzäunung ihres Pferchs und streckte ihre blaubeerfarbige Zunge aus wie ein Ameisenbär, um einen Apfelrest zu erhaschen, der vor den Pferch gerollt war. Ich hob ihn auf und gab ihn ihr, während ich überlegte, wo ich anfangen und was ich dann sagen sollte.
»Henri-Christian geht es gut«, sagte ich, weil mir nichts Besseres einfiel. »Er hat zugenommen
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