Ein Hauch von Schnee und Asche
den nächsten Sekunden passieren.
Ich hatte meine Finger auf dem kräftigen Puls in ihrem Bauch liegen, der die tödliche Schwächung ihrer Bauchschlagader verriet. Sie war bereits so stark ausgelaufen, dass Mrs. Wilson in todesähnliche Ohnmacht gefallen war. Irgendwann würde bei ihr einfach eine Dichtung platzen, und das war es dann.
Roger und Jamie mühten sich nach Kräften, sie zu beruhigen, indem sie auf Englisch und Gälisch auf sie einmurmelten und sie tröstend tätschelten. Sie schien auf diese Behandlung anzusprechen, obwohl sie immer noch atmete wie eine Dampfmaschine.
Dass Jamie dann die Whiskyflasche aus seiner Tasche zog, half um vieles weiter.
»Das kommt der Sache doch schon näher!«, sagte Mrs. Wilson ein wenig besänftigter, als er hastig den Korken aus der Flasche zog und sie unter ihrer Nase schwenkte, damit sie die Qualität prüfen konnte. »Und etwas zu essen habt Ihr auch mitgebracht?« Mrs. Bug hatte sich nach vorn durchgeschoben und trug unseren Korb vor sich her wie eine Ramme. »Hmpf! Ich hätte nicht geglaubt, dass ich den Tag erleben würde, an dem Papisten großzügiger sind als meine eigene Verwandtschaft!« Diese Worte waren an
Hiram Crombie gerichtet, der bis jetzt nur den Mund öffnete und schloss, ohne dass ihm eine Erwiderung auf die Tiraden seiner Schwiegermutter einfiel.
»Wie… wie…«, stammelte er entrüstet, hin- und hergerissen zwischen Schock, offensichtlicher Wut und dem Bedürfnis, sich vor seinen Nachbarn zu rechtfertigen. »Großzügiger als deine Verwandtschaft! Wie, habe ich dir nicht die letzten zwanzig Jahre ein Dach über dem Kopf gegeben? Kost und Kleidung wie meiner eigenen Mutter? Jahrelang deine böse Zunge und deine Launen ertragen, ohne je -«
Jamie und Roger fielen ihm gleichzeitig ins Wort, um ihn zum Schweigen zu bringen, unterbrachen sich jedoch gegenseitig, und in der allgemeinen Verwirrung konnte Hiram ungehindert weiter seine Meinung sagen, was er auch tat – genau wie Mrs. Wilson, die ebenfalls nicht zimperlich war, wenn es um Beschimpfungen ging.
Der Pulsschlag in ihrem Bauch hämmerte unter meiner Hand, und ich hatte alle Hände voll damit zu tun, sie davon abzuhalten, vom Tisch zu springen und Hiram die Whiskyflasche über den Schädel zu ziehen. Die Nachbarn waren fassungslos.
Roger nahm die Dinge – und Mrs. Wilson – fest in die Hand und packte sie an den schmalen Schultern.
»Mrs. Wilson«, sagte er heiser, aber dennoch laut genug, um Hirams entrüstete Entgegnung auf ihre letzte Beschreibung seines Charakters zu übertönen. »Mrs. Wilson!«
»Hä?« Sie hielt inne, um Luft zu holen, und blinzelte ihn verwirrt an.
»Hört auf damit. Und Ihr auch!« Er funkelte Hiram an, der gerade erneut den Mund öffnete, ihn aber wieder schloss.
»Ich lasse das nicht zu«, sagte Roger und ließ die Bibel auf den Tisch sausen. »Es ist unangebracht, und ich dulde es nicht, hört Ihr mich?« Er blickte finster von einem der beiden Streithähne zum anderen, die schwarzen Augenbrauen dicht zusammengezogen.
Im Zimmer war es still bis auf Hirams heftiges Atmen, Mrs. Crombies leises Schluchzen und Mrs. Wilsons schwaches, asthmatisches Keuchen.
»Na also«, sagte Roger, der den Blick unverwandt durch die Runde schweifen ließ, um weiteren Unterbrechungen zuvorzukommen. Er legte seine Hand auf Mrs. Wilsons dünne, mit Altersflecken übersäte Hand.
»Mrs. Wilson – ist Euch nicht klar, dass Ihr in dieser Minute vor Gott steht?« Er warf mir einen raschen Blick zu, und ich nickte; ja, sie würde definitiv sterben. Ihr Hals konnte ihren Kopf kaum tragen, und das wütende Funkeln ihrer Augen verblasste, noch während er sprach.
»Gott ist uns nah«, sagte er und hob den Kopf, um sich an die ganze Gemeinde zu wenden. Er wiederholte die Worte auf Gälisch, und es folgte eine Art kollektives Seufzen. Er sah sie mit zusammengekniffenen Augen an.
»Wir werden diesen heiligen Moment nicht durch Wut oder Bitterkeit
entweihen. Nun – Schwester.« Er drückte ihr sanft die Hand. »Macht Euch bereit. Gott wird -«
Doch Mrs. Wilson hörte ihm nicht länger zu. Ihr verwelkter Mund öffnete sich entsetzt.
»Der Sündentilger!«, rief sie und sah sich wild um. Sie packte das Tellerchen, das neben ihr stand, und verstreute dabei das Salz auf ihrem Leichentuch. »Wo ist der Sündentilger?«
Hiram erstarrte, als hätte man ihn mit einem glühend heißen Schüreisen angestoßen, dann fuhr er herum und bahnte sich den Weg zur Tür. Die Menge wich vor ihm
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