Ein Hauch von Schnee und Asche
zu leicht für einen Mann von fast eins achtzig, aber es war schon eine deutliche Verbesserung. Und es war ein echter Glückstreffer, dass er sein genaues Gewicht kannte.
Wenn ich nicht schnell reagierte, war es natürlich gut möglich, dass er noch zehn oder zwölf Kilo zunahm; Mrs. Bug hatte sich vorgenommen, Lord Johns indianischen Koch (von dem wir schon viel gehört hatten) zu übertrumpfen, und zu diesem Zweck schaufelte sie Bobbys Teller gerade mit Ei, Zwiebeln, Braten und einem Stück übrig gebliebener Schweinepastete voll, ganz zu schweigen von dem Korb mit duftenden Muffins, der bereits vor ihm stand.
Lizzie, die neben mir saß, nahm sich einen davon und bestrich ihn mit Butter. Ich stellte zufrieden fest, dass auch sie gesünder aussah und ihr Gesicht eine zarte Röte angenommen hatte – obwohl ich nicht vergessen durfte, ihr eine Blutprobe zu entnehmen, um sie auf Malariaparasiten zu überprüfen. Das konnte ich wunderbar tun, solange sie weg war. Unglücklicherweise war es nicht möglich, ihr Gewicht genau zu bestimmen – aber sie konnte nicht mehr als fünfundvierzig Kilo wiegen, so klein und schmächtig, wie sie war.
Und dann Brianna und Roger am anderen Ende der Skala… Roger musste mindestens achtzig Kilo wiegen; Brianna wahrscheinlich knapp siebzig. Ich nahm mir ebenfalls einen Muffin und überlegte, wie ich meinen Plan am besten verkaufen könnte. Roger würde es natürlich tun, wenn ich ihn fragte, aber Brianna … Bei ihr musste ich vorsichtig sein. Sie hatte mit zehn Jahren unter Äther die Mandeln entfernt bekommen und war davon nicht begeistert gewesen. Wenn sie herausfand, was ich im Schilde führte, und anfing, ihre Meinung darüber kundzutun, war es möglich, dass sie meine restlichen Versuchskaninchen verschreckte.
In meiner Begeisterung über meinen Erfolg bei der Ätherherstellung hatte ich ernstlich unterschätzt, wie schwierig es sein würde, jemanden dazu zu bewegen, mich das Mittel ausprobieren zu lassen. Mr. Christie war zwar ein renitenter Vogel, wie Jamie sich manchmal ausdrückte – doch er war mit seiner Abneigung gegen die Vorstellung, plötzlich in einen Zustand der Bewusstlosigkeit versetzt zu werden, nicht allein.
Ich hätte zwar gedacht, dass Schmerzlosigkeit eine universelle Verlockung darstellte – jedoch nicht für Menschen, die so etwas noch nie erlebt hatten. Eine solche Vorstellung passte für sie in keinen Zusammenhang. Selbst wenn sie vermutlich nicht alle glaubten, dass Äther Teil der papistischen Weltverschwörung war, betrachteten sie es doch als unvereinbar mit der göttlichen Vision des Universums, wenn man ihnen den Schmerz nahm.
Bobby und Lizzie dagegen standen hinreichend unter meinem Einfluss, dass ich mir ziemlich sicher war, sie zu einem kurzen Versuch überreden – oder erpressen – zu können. Wenn sie ihre Erfahrung dann in einem positiven Licht weitererzählten … Aber verbesserte Öffentlichkeitsarbeit war nur die halbe Miete.
Wirklich wichtig war es, meinen Äther an verschiedenen Personen auszuprobieren und sorgfältig über die Ergebnisse Buch zu führen. Der Schreck, den mir Henri-Christian bei seiner Geburt eingejagt hatte, hatte mir gezeigt, wie beklagenswert unvorbereitet ich war. Ich musste eine Vorstellung davon bekommen, wie viel Äther ich pro Kilo Körpergewicht anwenden musste und durfte, wie lange eine gewisse Dosis vorhielt und wie tief die daraus resultierende Betäubung war. Das Letzte, was ich wollte war bis zum Ellbogen in jemandes Bauch zu stecken, der dann plötzlich kreischend zu sich kam.
»Ihr macht es schon wieder, Ma’am.« Bobby runzelte die Stirn und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen, während er langsam weiterkaute.
»Was? Was mache ich?« Ich stellte mich unwissend und bediente mich mit einem Stück Schweinepastete.
»Mich beobachten. So wie ein Falke eine Maus beobachtet, bevor er sich auf sie stürzt. Stimmt es nicht?«, bat er Lizzie um Unterstützung.
»Aye, das stimmt«, pflichtete ihm Lizzie bei und grinste mich verschmitzt an. »Aber so ist sie nun einmal. Und du wärst eine große Maus, Bobby.«
Bobby musste so lachen, dass er sich an seinem Muffin verschluckte. Mrs. Bug blieb stehen, um ihm helfend auf den Rücken zu hämmern, bis er puterrot nach Luft schnappte.
»Was hat er denn nur?«, fragte sie und trat um den Tisch, um einen kritischen Blick auf Bobbys Gesicht zu werfen. »Du hast doch nicht schon wieder die Scheißerei, oder, Junge?«
»Schon wieder?« , sagte ich.
»O
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