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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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junge Mann, sein Bruder. Wenn sie nicht vorhatten, ihn auf der Stelle umzubringen, ob er dann nachsehen dürfte? Sein Bruder war verletzt.
    Ian bat Jamie mit einem Blick um seine Zustimmung, dann rief er Rollo
mit einem Wort zurück. Der mitgenommene Gefangene kämpfte sich mühsam auf die Beine, stolperte und trat den Rückweg über das Ufer an, gefolgt von dem Hund und den zwei nackten Schotten.
    Der andere Mann war in der Tat verletzt; durch einen improvisierten Verband an seinem Bein drang Blut. Er hatte den Verband aus seinem Hemd gemacht und sah halb verhungert aus mit seiner nackten Brust und seinem hageren Körperbau. Jamie sah vom einen zum anderen; keiner von ihnen konnte älter sein als zwanzig, dachte er, und wahrscheinlich waren sie noch jünger. Ihre Gesichter waren von Hunger und Strapazen gezeichnet, ihre Kleider kaum mehr als Lumpen.
    Die Pferde hatten sich ein kleines Stück entfernt, weil die Auseinandersetzung sie nervös gemacht hatte, aber die Kleider, die die Schotten über die Büsche gehängt hatten, waren noch da. Ian zog sich seine Hose an und ging zu den Satteltaschen, um etwas zu essen und zu trinken zu holen, während sich Jamie gemächlicher anzog und dem jungen Mann, der seinen Bruder angstvoll untersuchte, weitere Fragen stellte.
    Wie der junge Mann bestätigte, waren sie Tuscarora. Er hatte einen langen Namen, der in etwa »das Glänzen auf dem Wasser im Frühling« bedeutete, kurz Light on Water ; dies war sein Bruder, »der Ganter, der im Flug den Anführer ermutigt«, schlicht Goose genannt.
    »Was ist mit ihm passiert?« Jamie zog sich das Hemd über den Kopf und wies kopfnickend – eine Bewegung, bei der er zusammenzuckte – auf das Loch in Gooses Bein, das offensichtlich durch etwas wie eine Axt verursacht worden war.
    Light on Water holte tief Luft und schloss einen Moment die Augen. Auch er hatte eine ordentliche Beule am Kopf.
    »Tsalagi«, sagte er. »Wir waren vierzig Mann; die anderen sind tot oder in Gefangenschaft. Ihr werdet uns ihnen nicht übergeben, Herr? Bitte?«
    »Tsalagi? Welche?«
    Light schüttelte den Kopf; er wusste es nicht. Sein Clan hatte beschlossen zu bleiben, als sein Dorf nach Norden wanderte, doch es war ihnen nicht gut ergangen; sie hatten nicht genug Männer, um ein Dorf zu verteidigen und zu jagen, und ohne Verteidiger stahlen andere ihre Ernte und entführten ihre Frauen.
    Als sie zunehmend ärmer wurden, waren sie dazu übergegangen, zu betteln und selbst zu stehlen, um den Winter zu überleben. Immer mehr waren an Kälte und Krankheit gestorben, und die Übrigen waren ziellos umhergezogen. Dann und wann hatten sie eine Stelle gefunden, an der sie sich für ein paar Wochen niederließen, waren aber ständig von den weit überlegenen Cherokee vertrieben worden.
    Vor ein paar Tagen waren sie von einem Trupp Cherokee-Krieger überfallen worden, die sie überrumpelt und die meisten von ihnen getötet hatten. Einige Frauen hatten sie mitgenommen.

    »Sie haben meine Frau«, sagte Light mit zittriger Stimme. »Wir wollten sie – sie zurückholen.«
    »Natürlich werden sie uns umbringen«, sagte Goose schwach, aber eigentlich recht fröhlich. »Doch das spielt keine Rolle.«
    »Natürlich nicht«, sagte Jamie und musste lächeln. »Wisst Ihr, wohin sie sie gebracht haben?«
    Die Brüder wussten, welche Richtung die Räuber eingeschlagen hatten, und sie hatten vor, ihre Spur bis zu ihrem Dorf zu verfolgen. Dort entlang, sagten sie und wiesen auf eine Lücke zwischen den Bergen. Ian sah Jamie an und nickte.
    »Bird« , sagte er. »Oder besser Fox «, denn Running Fox war der Kriegshäuptling des Dorfes; ein tüchtiger Krieger, wenn es ihm auch etwas an Einfallsreichtum mangelte – ein Charakterzug, den Bird in Hülle und Fülle besaß.
    »Sollen wir ihnen also helfen?«, sagte Ian auf Englisch. Er zog seine feinen Augenbrauen fragend hoch, doch Jamie merkte, dass es nur eine rhetorische Frage war.
    »Oh, aye, ich denke schon.« Er rieb sich vorsichtig die Stirn; die Haut auf der Beule war bereits überdehnt und empfindlich. »Aber zuerst lass uns essen.«
     
    Die Frage war nicht, ob sie es tun sollten, sondern nur, wie. Den Vorschlag, dass die Brüder Lights Frau zurückstehlen könnten, verwarfen Jamie und Ian kategorisch.
    »Sie werden euch umbringen«, versicherte Ian ihnen.
    »Das stört uns nicht«, meinte Light standhaft.
    »Natürlich nicht«, sagte Jamie. »Aber was ist mit Eurer Frau? Sie würde allein zurückbleiben, und es hätte ihr

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