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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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an diesem Abend, nach dem Festessen, eine Zeremonie zur Feier von Jamies Handel mit Bird , zu Camerons Begrüßung. Als die Pfeife zweimal um das Feuer gewandert war, begannen sie, Geschichten zu erzählen.
    Geschichten von Raubzügen, von Kämpfen. Weil der Tag ihn erschöpft hatte, sein Kopf noch dröhnte, Essen und Bier ihn müde gemacht hatten und der Rauch ihn leicht betäubt hatte, hatte Jamie eigentlich nur vorgehabt zuzuhören. Vielleicht war es der Gedanke an Schottland, den Cameron so beiläufig heraufbeschworen hatte. Doch an irgendeinem Punkt hatte sich eine Erinnerung geregt, und als das nächste Mal erwartungsvolle Stille eintrat, hörte er überrascht seine eigene Stimme, die ihnen von Culloden erzählte.
    »Und dann habe ich an einem Wall einen Mann gesehen, den ich kannte, Alistair MacAllister, der von einer Horde von Feinden bedrängt wurde. Er kämpfte mit Muskete und Schwert, doch beide versagten ihm den Dienst – seine Klinge war zerbrochen, der Schild vor seiner Brust zerborsten.«
    Der Rauch der Pfeife stieg ihm in die Nase, und er hob sie an den Mund und nahm einen tiefen Zug, als tränke er die Luft auf dem Moor, die vom Regen und dem Rauch jenes Tages vernebelt war.
    »Immer mehr feindliche Krieger sind auf ihn eingestürmt, und er ergriff ein Stück Metall, eine Wagenfeder, und brachte sechs -«, er hielt beide Hände hoch und streckte zur Demonstration die Finger aus, »sechs von ihnen damit um, bevor sie ihn schließlich töteten.«
    Ehrfurchtsvolle Laute und beifälliges Zungenschnalzen begrüßten diese Schilderung.
    »Und Ihr selbst, Bärentöter, wie viele Männer habt Ihr in dieser Schlacht getötet?«
    Der Rauch brannte in seiner Brust, hinter seinen Augen, und eine Sekunde lang schmeckte er den bitteren Rauch der Kanonenfeuer, nicht den süßen Tabakduft. Er sah – er sah Alistair MacAllister – zwischen den rot berockten
Körpern tot zu seinen Füßen liegen, eine Seite seines Kopfes eingeschlagen, und die Rundung seiner Schulter glänzte durch den Stoff seines Hemdes, das nass an ihm klebte.
    Er war dort, auf dem Moor, die Nässe und Kälte nicht mehr als ein Schimmer auf seiner Haut, der Regen glättete sein Gesicht, und auch ihm klebte das Hemd dampfend am Körper, durchtränkt von der Hitze seiner Raserei.
    Und dann stand er nicht mehr in Drumossie und wurde sich eine Sekunde zu spät bewusst, dass alles ringsum den Atem anhielt. Er sah Robert Talltrees Gesicht, in dem sich alle Falten vor Erstaunen verzogen, und erst dann senkte er die Augen und entdeckte, wie sich alle zehn Finger seiner Hand streckten und beugten, sich dann die vier Finger seiner rechten Hand noch einmal ausstreckten, ohne dass er selbst es wollte. Der Daumen schwankte unentschlossen. Er sah fasziniert zu, dann kam er endlich zu sich, ballte die rechte Hand, so gut es ging, zur Faust und schlug die linke darum, als wollte er die Erinnerung ersticken, die ihm mit solch verstörender Plötzlichkeit in die Hand gedrückt worden war.
    Als er aufblickte, sah er, dass Talltree ihn scharf fixierte, sah, wie die dunklen, alten Augen des Mannes hart wurden und sich dann unter einem Stirnrunzeln verengten – und dann ergriff der Alte die Pfeife, zog fest daran, beugte sich vor und blies den Rauch zu ihm herüber. Dies wiederholte Talltree noch zweimal, und die um das Feuer gedrängten Männer bedachten ihn gedämpft summend mit Beifall für diese Ehre.
    Er nahm die Pfeife entgegen und erwiderte Talltree die Ehre dieser Geste, dann reichte er sie an seinen Nachbarn weiter und weigerte sich, noch mehr zu erzählen.
    Sie bedrängten ihn nicht und schienen den Schock, den er fühlte, zu verstehen und zu respektieren.
    Schock. Nicht einmal das. Was er fühlte, war blankes Erstaunen. Vorsichtig, widerwillig, riskierte er einen Blick auf sein Bild von Alistair. Gott, es war noch da.
    Er begriff, dass er den Atem anhielt, weil er den Gestank nach Blut und entleerten Eingeweiden nicht riechen wollte. Er atmete ein, sanften Rauch und einen strengen Hauch von Körpergeruch, und er hätte weinen können, so sehr überwältigte ihn auf einmal die Sehnsucht nach der kalten, klaren Luft der Highlands mit ihren durchdringenden Düften nach Torf und Ginster.
    Alexander Cameron sagte etwas zu ihm, doch er war zu keiner Reaktion fähig. Ian, der merkte, dass es ihm schwer fiel, beugte sich vor, um zu antworten, und alle lachten. Ian bedachte ihn mit einem fragenden Blick, wandte sich dann aber wieder der Unterhaltung zu und begann

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