Ein Hauch von Schnee und Asche
Grund?«
Was sollte ich darauf antworten? Ich konnte nicht lügen, selbst wenn ich gewollt hätte; er kannte mein Gesicht viel zu gut.
»Manchmal schon«, gab ich zu. »Aber es ist nicht dasselbe. Dort – dann, meine ich – wäre ein Mann, der seine Frau schlägt, ein Krimineller. Aber«, fügte ich der Fairness halber hinzu, »wenn ein Mann dann seine Frau schlägt, würde er meistens seine Fäuste benutzen.«
Ein Ausdruck angewiderten Erstaunens überzog sein Gesicht.
»Was für ein Mann tut denn so etwas?«, fragte er ungläubig.
»Ein böser.«
»Das will ich wohl meinen, Sassenach. Und du findest nicht, dass das etwas anderes ist?«, fragte er. »Für dich wäre es dasselbe, ob ich dir das Gesicht einschlage oder dir nur den Hintern versohle?«
Das Blut stieg mir abrupt in die Wangen. Er hatte mich einmal mit dem Gürtel verprügelt, und ich hatte es nicht vergessen. Damals hätte ich ihn am liebsten umgebracht – und auch heute empfand ich alles andere als freundschaftliche Gefühle für ihn, wenn ich daran dachte. Gleichzeitig war ich aber nicht so dumm, sein Verhalten mit dem eines modernen Mannes gleichzustellen, der seine Frau misshandelte.
Er sah mich an, zog eine Augenbraue hoch, dann begriff er, woran ich dachte.
»Oh«, sagte er.
»Oh, in der Tat«, sagte ich sehr verärgert. Es war mir gelungen, diese ausgesprochen demütigende Episode zu verdrängen, und ich war nicht begeistert, wieder daran erinnert zu werden.
Er dagegen genoss es sichtlich. Er betrachtete mich auf eine Weise, die ich ausgesprochen unerträglich fand, und grinste unablässig.
»Gott, du hast geschrien wie eine ban-sidhe .«
Ich begann deutlich zu spüren, wie das Blut in meinen Schläfen pochte.
»Dazu hatte ich auch allen verdammten Grund!«
»Oh, aye«, sagte er, und sein Grinsen wurde breiter. »Den hattest du. Aber du warst schließlich selber schuld«, fügte er hinzu.
» Selber sch …«
»Ja«, beharrte er.
»Du hast dich doch sogar entschuldigt!«, schnaubte ich entrüstet.
»Nein, das habe ich nicht. Und es ist trotzdem deine Schuld gewesen«, sagte er ohne jede Logik. »Und ich hätte dich nicht annähernd so fest verprügelt, wenn du von Anfang an auf mich gehört hättest, als ich dir gesagt habe, du solltest dich hinknien und -«
»Auf dich gehört! Du glaubst, ich hätte einfach nur demütig klein beigeben und zulassen sollen, wie du -«
»Ich habe noch nie gesehen, wie du irgendetwas demütig tust, Sassenach.« Er ergriff meinen Arm, um mir über den Zauntritt zu helfen, doch ich riss mich aufgebracht prustend los.
»Du verfluchter Schotte !« Ich warf ihm den Bienenkorb vor die Füße, schürzte meine Röcke und kletterte über den Tritt.
»Nun, ich habe es nie wieder getan«, protestierte er hinter mir. »Ich hab’s dir versprochen, aye?«
Ich fuhr auf der anderen Zaunseite herum und funkelte ihn an.
»Nur, weil ich gedroht habe, dir das Herz herauszuschneiden, falls du es je versuchst!«
»Aber trotzdem. Ich hätte es gekonnt – und das weißt du ganz genau, Sassenach. Aye?« Er hatte aufgehört zu grinsen, aber das Glitzern in seinen Augen war nicht zu verkennen.
Ich holte ein paar Mal tief Luft und versuchte gleichzeitig, meine Verärgerung im Zaum zu halten und mir eine niederschmetternde Erwiderung zu überlegen. Beides misslang mir, und mit einem kurzen, würdevollen »Hmpf!« stolzierte ich gemessenen Schrittes von dannen.
Ich hörte seinen Kilt rascheln, als er den Bienenkorb aufhob, über den Zauntritt hüpfte und mich mit ein oder zwei Schritten einholte. Ich sah ihn nicht an; meine Wangen standen immer noch in Flammen.
Die empörende Tatsache war, dass ich es in der Tat wusste. Ich erinnerte mich nur zu gut daran. Er hatte seinen Schwertgürtel benutzt, und zwar so, dass ich tagelang nicht schmerzfrei hatte sitzen können – und falls er je beschloss, es wieder zu tun, gab es nichts, was ihn daran hindern konnte.
Meistens gelang es mir, die Tatsache zu ignorieren, dass ich vor dem Gesetz sein Eigentum war. Das änderte aber nichts an der Tatsache, dass es eine Tatsache war – und er es wusste.
»Was ist mit Brianna?«, wollte ich wissen. »Würdest du genauso denken, wenn der gute Roger plötzlich auf die Idee käme, deine Tochter mit seinem Gürtel oder einer Rute zu malträtieren?«
Irgendetwas schien er an dieser Vorstellung lustig zu finden.
»Ich glaube, wenn er das versuchen würde, hätte er den Kampf seines Lebens vor sich«, sagte er. »Das ist ein
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