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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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trotz seines Beins.«

    »Was? Warum?«
    »Weil, Sassenach«, erklärte er nüchtern, »weil man als Mann immer wieder Grenzen ziehen und gegen andere vorgehen muss, die diese überschreiten. Feinde, Pächter, die eigenen Kinder – die eigene Frau. Man kann sie nicht pausenlos mit der Faust oder dem Riemen bestrafen, aber wenn man es tut, ist wenigstens jedem klar, wer das Sagen hat.«
    »Aber das ist doch völliger -«, begann ich und brach dann stirnrunzelnd ab, um darüber nachzudenken.
    »Und wenn man ein Mann ist, hat man das Sagen. Man ist derjenige, der die Ordnung wahrt, ob es einem gefällt oder nicht. So ist es nun einmal«, schloss er. Dann berührte er meinen Ellbogen und wies mit dem Kinn auf eine Lücke zwischen den Bäumen. »Ich habe Durst. Sollen wir einen Moment Rast machen?«
    Ich folgte ihm auf einem schmalen Pfad durch den Wald zu der Stelle, die wir die Grüne Quelle nannten – weil das Wasser plätschernd durch eine Vertiefung aus hellem Serpentin floss, die von einer kühlen, schattigen Umrandung aus Moos eingefasst war. Wir knieten uns hin, benetzten unsere Gesichter und seufzten beim Trinken vor dankbarer Erleichterung. Jamie ließ sich eine Hand voll Wasser in sein Hemd laufen und schloss selig die Augen. Ich lachte über ihn, löste aber mein durchgeschwitztes Halstuch, tauchte es in die Quelle und wischte mir damit über Hals und Arme.
    Der Weg zur Quelle hatte unsere Unterhaltung zum Stillschweigen gebracht, und ich wusste nicht genau, wie – oder ob – ich sie wieder aufnehmen sollte. Stattdessen saß ich einfach nur wortlos im Schatten, die Arme um die Knie geschlungen, und wackelte mit den Zehen im Moos.
    Auch Jamie schien im Moment kein Bedürfnis zu haben zu sprechen. Er lehnte bequem an einem Felsblock, den nassen Stoff seines Hemdes an die Brust geklebt. Still saßen wir da und lauschten dem Wald.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, aber das bedeutete nicht, dass ich aufgehört hatte, über unser Gespräch nachzudenken. Auf eine merkwürdige Weise glaubte ich zu verstehen, was die alte Mrs. MacNab gemeint hatte – obwohl ich mir nicht sicher war, ob ich mit ihr einer Meinung war.
    Doch ich dachte mehr darüber nach, was Jamie über die Verantwortung eines Mannes gesagt hatte. War das so? Möglicherweise war es das, obwohl ich es noch nie in diesem Licht betrachtet hatte. Es stimmte , dass er ein Bollwerk war – nicht nur für mich und für die ganze Familie, sondern auch für die Pächter. Doch war es wirklich das, was er tat? »Grenzen ziehen und gegen andere vorgehen, die diese überschreiten«? Schon möglich, dass es so war.
    Natürlich gab es Grenzen zwischen ihm und mir; ich hätte sie in das Moos zeichnen können. Was aber nicht bedeutete, dass wir unsere gegenseitigen Grenzen nicht überschritten – das taten wir, oft und mit unterschiedlichem Ergebnis. Ich hatte meine eigenen Verteidigungslinien – und Mittel zu ihrer Verteidigung. Doch er hatte mich nur ein Mal wegen einer Grenzüberschreitung
geschlagen, und das war in den Anfangstagen unserer Ehe gewesen. Dann hatte er das also als notwendige Auseinandersetzung betrachtet? Ich ging davon aus; das war es, was er mir hiermit sagte.
    Doch er war seinen eigenen Gedankengängen gefolgt, die einen anderen Verlauf nahmen.
    »Es ist wirklich seltsam«, sagte er nachdenklich. »Laoghaire hat mich mit schönster Regelmäßigkeit zum Wahnsinn getrieben, aber es ist mir nicht ein einziges Mal eingefallen, sie zu schlagen.«
    »Oh, wie überaus gedankenlos von dir«, spottete ich und richtete mich auf. Ich hasste es, wenn er Laoghaire erwähnte, egal, in welchem Zusammenhang.
    »In der Tat«, erwiderte er ernsthaft, ohne meinen Sarkasmus zu beachten. »Ich glaube, mir lag einfach nicht genug an ihr, um auch nur daran zu denken, geschweige denn, es zu tun.«
    »Dir lag nicht genug an ihr, um sie zu schlagen. Ist sie nicht ein Glückspilz gewesen?«
    Er fing meinen gekränkten Unterton auf; sein Blick schärfte sich und richtete sich auf mein Gesicht.
    »Nicht, um sie zu verletzen«, sagte er. Ihm kam ein neuer Gedanke; ich sah ihn über sein Gesicht huschen.
    Er lächelte ein wenig, stand auf und kam zu mir. Er streckte die Hände aus und zog mich hoch, dann ergriff er mein Handgelenk, das er sanft über meinen Kopf hob und am Stamm der Kiefer festhielt, unter der ich gesessen hatte, so dass ich gezwungen war, mich flach daran zurückzulehnen.
    »Nicht, um sie zu verletzen«, sagte er erneut mit leiser Stimme. »Um sie

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