Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
bereits eine hölzerne Zisterne, die Ronnie Sinclair nach großem Hin und Her gebaut hatte. Sie brauchte Hilfe dabei, diese an Ort und Stelle zu hieven. Und wenn sie dann nur sieben Meter verlässlicher Rohre zuwege brachte …
    »Mama, sieh mal!« Jems ungeduldige Stimme schnitt durch den Nebel ihrer Berechnungen. Mit einem innerlichen Seufzer merkte sie sich hastig, wo sie gewesen war, und schob den ganzen Vorgang sorgfältig in eine Ecke ihres Verstandes, wo er vielleicht hilfreich weitergären würde.
    Sie reichte ihrem Vater die Flasche zurück und lief über das Ufer zu der Stelle, an der die Jungen hockten. Sie rechnete damit, dass sie ihr Froschlaich, ein ertrunkenes Stinktier oder irgendein anderes Naturwunder zeigen würde, das kleine Jungen faszinierte.
    »Was ist denn?«, rief sie.
    »Sieh nur, sieh!« Als Jemmy sie kommen sah, fuhr er auf und zeigte auf den Felsbrocken zu seinen Füßen.
    Sie standen auf dem Flat Rock , einer Landmarke dieses Bachs. Wie der Name schon andeutete, war es ein flacher Granitfels, der so groß war, dass drei Männer gleichzeitig darauf sitzen konnten, und vom Wasser unterspült wurde, so dass er über die brodelnde Strömung ragte. Es war ein beliebter Angelplatz.
    Jemand hatte dort ein kleines Feuer entfacht; auf der Felsoberfläche war eine geschwärzte Stelle, in deren Mitte etwas lag, das wie die Überreste verkohlter Stöckchen aussah. Es war viel zu klein für ein Grillfeuer, und sie hätte sich nichts dabei gedacht. Doch ihr Vater betrachtete die Feuerstelle mit einem solchen Stirnrunzeln, dass sie neben ihn auf den Felsen trat und zu Boden blickte.
    Die Gegenstände in der Asche waren keine Stöckchen -
    »Knochen«, sagte sie sofort und hockte sich hin, um die Teilchen genauer zu prüfen. »Von was für einem Tier stammen sie?« Noch während sie das
sagte, analysierte und verwarf ihr Verstand – Eichhörnchen, Opossum, Kaninchen, Rotwild, Schwein -, ohne sich einen Reim auf die Form der Knochen machen zu können.
    »Es sind Fingerknochen, Schatz«, sagte er und senkte sie Stimme mit einem Blick auf Jemmy – der das Interesse an der Feuerstelle verloren hatte und jetzt zum weiteren Schaden seiner Hose die schlammige Uferböschung hinunterrutschte. »Nicht anfassen«, fügte er hinzu – unnötigerweise, da sie ihre Hand ruckartig angewidert zurückgezogen hatte.
    »Du meinst, von einem Menschen?« Sie wischte sich instinktiv die Hand am Oberschenkel ab, obwohl sie nichts berührt hatte.
    Er nickte und hockte sich neben sie, um die verkohlten Überreste zu inspizieren. Neben den Knochen lagen ein paar geschwärzte Klümpchen in der Asche – die sie allerdings für die Überreste pflanzlicher Substanzen hielt; eins war grünlich, eventuell ein Stiel, der nicht ganz verbrannt war.
    Jamie beugte sich dicht über die verbrannten Überreste und schnupperte daran. Instinktiv holte auch sie tief durch die Nase Luft – und prustete dann, um den Geruch wieder abzuschütteln. Er war beunruhigend; ein starker Holzkohlegeruch, der von etwas Bitterem, Kalkigem überlagert wurde – das wiederum von einem durchdringenden Duft überlagert wurde, der sie an Arznei erinnerte.
    »Woher kann das stammen?«, raunte sie – obwohl Jemmy und Germain angefangen hatten, sich gegenseitig mit Schlammkugeln zu bewerfen, und selbst dann keine Notiz von ihr genommen hätten, wenn sie gebrüllt hätte.
    »Mir ist niemand aufgefallen, dem eine Hand fehlt- dir?« Jamie schenkte ihr ein halbes Lächeln. Sie erwiderte es nicht.
    »Niemand, der hier herumlaufen würde, nein. Aber wenn er nicht herumläuft -« Sie schluckte und versuchte, den halb eingebildeten Geschmack nach bitteren Kräutern und Verbranntem zu ignorieren. »Wo ist der Rest? Der Leiche, meine ich.«
    Dieses Wort, »Leiche«, schien die ganze Sache in ein neues, böses Licht zu rücken.
    »Wo ist der Rest dieses Fingers, frage ich mich.« Jamie starrte stirnrunzelnd auf den geschwärzten Fleck. Er wies mit dem Finger darauf, und jetzt sah sie, was er entdeckt hatte; eine hellere Stelle inmitten des kreisrunden Feuers, wo ein Teil der Asche beiseite gefegt worden war. Es waren drei Finger, stellte sie fest, und schluckte schwer. Zwei waren intakt, die Knochen grau-weiß und gespenstisch in der Asche. Doch dem dritten Finger fehlten zwei Glieder; nur das letzte war noch da.
    »Ein Tier?« Sie sah sich nach Spuren um, doch es gab keine Tatzenabdrücke auf der Felsoberfläche – nur die schlammigen Flecken, die die Füße der Jungen

Weitere Kostenlose Bücher