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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erleichtert auf.
    Ich hatte schon lange den Verdacht gehabt, dass Jocastas Blindheit durch Grünen Star verursacht wurde – ein Anstieg des Augeninnendrucks, der irgendwann den Sehnerv beschädigt, wenn er nicht behandelt wird. Jetzt war ich mir ganz sicher. Mehr als das; ich wusste auch, welche Form der Krankheit sie hatte; sie hatte eindeutig einen akuten Anfall von Winkelblock-Glaukom, der gefährlichsten Form der Krankheit.
    Es gab in dieser Zeit keine Behandlungsmöglichkeit für Grünen Star; die Krankheit selbst würde erst in einiger Zeit erkannt werden. Selbst, wenn es eine gegeben hätte, war es viel zu spät; ihre Erblindung war nicht mehr rückgängig zu machen. Allerdings gab es eine Möglichkeit, ihr in dieser akuten Situation Linderung zu verschaffen – und ich fürchtete, dass mir nichts anderes übrig bleiben würde.
    »Setz eine Hand voll hiervon auf«, sagte ich zu Angelina, nahm das Gefäß mit Gelbwurzel aus meiner Truhe und drückte es ihr in die Hände. »Und du -«, ich wandte mich an den anderen Sklaven, einen Mann, dessen
Namen ich nicht kannte, »- setz das Wasser wieder zum Kochen auf, hol mir ein paar saubere Lappen und legt sie ins Wasser.«
    Noch während ich redete, hatte ich den kleinen Alkoholbrenner aus der Truhe geholt. Man hatte das Kaminfeuer herunterbrennen lassen, aber ein paar Kohlen glühten noch; ich bückte mich und zündete den Docht an, dann öffnete ich das Nadeletui, das ich aus dem Wohnzimmer mitgebracht hatte, und zog die größte Nadel heraus, eine acht Zentimeter lange Stahlnadel zum Teppichflicken.
    »Du wirst doch nicht…«, setzte Jamie an, dann brach er ab und schluckte.
    »Ich muss«, sagte ich knapp. »Es gibt keine andere Möglichkeit. Halt ihre Hände fest.«
    Er war fast genauso bleich wie Jocasta, doch er nickte, ergriff ihre verkrampften Finger und zog ihre Hände sanft von ihrem Kopf fort.
    Ich nahm ihr die Leinenbandage von den Augen. Das linke Auge trat sichtlich unter dem Lid vor und war stark blutunterlaufen. Ringsum traten Tränen aus und flossen als unablässiges Rinnsal über. Ich konnte den Druck im Inneren des Augapfels spüren , sogar ohne diesen zu berühren, und biss angewidert die Zähne zusammen.
    Es war nicht zu ändern. Mit einem schnellen Gebet zur heiligen Klara – die schließlich nicht nur die Schutzherrin erkrankter Augen war, sondern auch meine Namenspatronin – fuhr ich mit der Nadel durch die Flamme des Brenners, goss reinen Alkohol auf einen Lappen und wischte damit den Ruß von der Nadel.
    Ich schluckte eine plötzliche Speichelflut herunter, spreizte mit einer Hand die Lider des betroffenen Auges auseinander, befahl meine Seele in Gottes Hand und drückte die Nadel am Rand der Iris fest in die Lederhaut.
    Neben mir hustete jemand, etwas platschte auf den Boden, und es stank nach Erbrochenem, doch ich hatte keine Aufmerksamkeit dafür übrig. Ich zog die Nadel vorsichtig, aber so schnell ich konnte, heraus. Jocasta war abrupt erstarrt und saß stocksteif da und krallte die Finger in Jamies Hände. Sie regte sich nicht, sondern stieß leise, erschrockene Keuchlaute aus, als hätte sie Angst, sich auch nur so weit zu bewegen, wie es zum Atmen nötig war.
    Eine glasige Flüssigkeit rann aus dem Auge, schwach milchig und gerade so dickflüssig, dass sie zu sehen war, während sie träge über die feuchte Oberfläche der Lederhaut glitt. Ich hielt die Augenlider immer noch gespreizt; ich zog mit der freien Hand einen Lappen aus dem heißen Wasser, drückte die überschüssige Flüssigkeit aus, ohne darauf zu achten, wohin sie lief, und drückte ihn sanft auf ihr Gesicht. Jocasta keuchte auf, als das heiße Tuch ihre Haut berührte, entzog Jamie ihre Hände und fasste nach dem Tuch.
    Da zog ich meine Hand fort und ließ sie das warme Tuch ergreifen, das sie gegen ihr linkes Auge presste, damit ihr die Hitze Erleichterung bringen konnte.

    Erneut tappten leise Schritte die Treppe herauf und den Flur entlang: Angelina, die keuchend eine Hand voll Salz an ihre Brust gedrückt hielt und in der anderen einen Löffel trug. Ich strich das Salz von ihrer feuchten Handfläche in die Schüssel mit warmem Wasser und bat sie, darin zu rühren, während es sich auflöste.
    »Hast du mir Laudanum mitgebracht?«, fragte ich sie leise. Jocasta hatte sich in ihrem Sessel zurückgelehnt und die Augen geschlossen – doch sie war starr wie eine Statue, hatte die Augenlider fest zusammengepresst, und ihre Fäuste ruhten geballt auf ihren

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