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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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umklammert, um sich zu stützen.
    »Wer seid Ihr?«, hatte sie gefragt, so herausfordernd sie konnte. Ihr Herz hämmerte im Rhythmus des Pochens in ihrem Kopf und ihrem Auge, und ihre Sinne schwammen in Whisky und Laudanum. Vielleicht war es ja das Laudanum, das die Geräusche der Menge im Freien in das Rauschen des nahen Meers verwandelte, die Schritte eines Sklaven im Flur in das Poltern der Holzpantinen des Wirts auf der Treppe.
    »Ich war dort. Wahrhaftig dort.« Obwohl ihr nach wie vor der Schweiß über das Gesicht lief, sah ich, wie eine Gänsehaut ihre blassen Schultern überzog. »In dem Wirtshaus in Coigach. Ich habe das Meer gerochen und die Männer gehört – Hector und Dougal -, ich konnte sie hören ! Wie sie sich irgendwo hinter mir gestritten haben. Und der Mann mit der Maske – ich konnte ihn sehen «, sagte sie, und auch mir lief ein Schauer über den Nacken, als sie mir ihre blinden Augen zuwandte. Sie sprach mit solcher Überzeugung, dass es kurz den Anschein hatte, als sähe sie tatsächlich.
    »Er stand am Fuß der Treppe, genau wie damals, ein Messer in der Hand, die Augen durch die Löcher in seiner Maske auf mich gerichtet.«
    »Ihr wisst ganz genau, wer ich bin, Liebes« , hatte er gesagt, und sie hatte das Gefühl gehabt, auch sein Lächeln sehen zu können, obwohl ihr dumpf
bewusst gewesen war, dass sie es nur in seiner Stimme hörte; sie hatte sein Gesicht nie gesehen, auch nicht, als sie das Augenlicht noch hatte.
    Sie saß halb vornübergebeugt, die Arme wie zur Verteidigung vor der Brust verschränkt, und das weiße Haar hing ihr wild und verworren über den Rücken.
    »Er ist wieder da«, sagte sie und erschauerte plötzlich krampfhaft. »Er will das Gold – und wenn er es findet, wird er mich umbringen.«
    Jamie legte ihr eine Hand auf den Arm, um sie zu beruhigen. »Niemand wird dich umbringen, solange ich hier bin, Tante Jocasta«, sagte er. »Dieser Mann ist also in dein Wohnzimmer gekommen, und du hast ihn an der Stimme erkannt. Was hat er sonst noch zu dir gesagt?«
    Sie zitterte noch, aber nicht mehr so heftig. Ich nahm an, dass es genauso als Reaktion auf die Mengen von Whisky und Laudanum geschah wie aus Angst.
    Sie schüttelte den Kopf und versuchte angestrengt, sich zu erinnern.
    »Er hat gesagt – gesagt, er sei hier, um das Gold zu seinem rechtmäßigen Besitzer zu bringen. Dass wir es nur verwahrt hätten und er mir das, was wir ausgegeben hätten, Hector und ich, zwar nicht missgönne – es aber nicht mein sei und nie gewesen sei. Ich sollte ihm sagen, wo es war, und er würde für alles Weitere sorgen. Und dann hat er mich angefasst.« Sie hörte auf, sich selbst zu umklammern, und hielt Jamie ihren Arm hin. »Am Handgelenk. Siehst du die Abdrücke dort? Siehst du sie, Neffe?« Sie klang nervös, und ich begriff plötzlich, dass sie möglicherweise selbst Zweifel an der Existenz ihres Besuchers hegte.
    »Aye, Tante Jocasta«, sagte Jamie leise und berührte ihr Handgelenk.
    »Da sind Abdrücke.«
    So war es; es waren drei rötliche Flecken, kleine Ovale, die von zupackenden Fingern hinterlassen worden waren.
    »Er hat zugedrückt und mir dann so fest das Handgelenk verdreht, dass ich dachte, es sei gebrochen. Dann hat er losgelassen, ist aber nicht zurückgetreten. Er ist über mir stehen geblieben, und ich konnte seinen heißen Atem und Tabakgestank in meinem Gesicht spüren.«
    Ich hatte ihr anderes Handgelenk ergriffen und fühlte dort ihren Pulsschlag. Er war kräftig und schnell, setzte aber hin und wieder einen Schlag aus. Kaum überraschend. Ich fragte mich, wie oft sie wohl Laudanum nahm – und wie viel.
    »Also habe ich in meinen Handarbeitskorb gegriffen, mein kleines Messer aus der Scheide gezogen und auf seine Eier gezielt«, schloss sie ihren Bericht.
    Jamie lachte überrascht.
    »Hast du ihn erwischt?«
    »Ja, das hat sie«, sagte ich, bevor Jocasta antworten konnte. »Ich habe getrocknetes Blut an dem Messer gesehen.«

    »Nun, das wird ihn lehren, eine hilflose blinde Frau in Angst und Schrecken zu versetzen, nicht wahr?« Jamie tätschelte ihr die Hand. »Gut gemacht, Tante Jocasta. Ist er dann gegangen?«
    »Ja.« Die Erinnerung an ihren Erfolg hatte sie gekräftigt; sie entzog mir ihre Hand, um sich gerader in die Kissen zu setzen. Sie entfernte das Handtuch, das immer noch um ihren Hals drapiert war, und warf es mit einer kurzen, angewiderten Grimasse auf den Boden.
    Als er sah, dass es ihr eindeutig besser ging, warf mir Jamie einen Blick zu

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