Ein Hauch von Schnee und Asche
den Blick argwöhnisch auf einen offensichtlich betrunkenen Herrn gerichtet, der versuchte, seine Muskete nachzuladen. »Pass auf den Mann auf, Sassenach.«
»Er kommt zu spät, um Neil Forbes zu erschießen. Hast du gesehen, wie er gegangen ist?«
Er nickte, während er zielsicher das Lederband in seinem Nacken verknotete.
»Er konnte einer offenen Gesinnungserklärung kaum näher kommen, es sei denn, er wäre zu Fionnaghal auf das Fass geklettert.«
»Und dort hätte er dann eine erstklassige Zielscheibe abgegeben.« Ich
blinzelte zu dem rotgesichtigen Herrn hinüber, der sich gerade Schießpulver auf die Schuhe streute. »Ich glaube, er hat gar keine Patronen.«
»Oh, na dann.« Jamie tat den Mann mit einer Handbewegung ab. »Major MacDonald ist in Hochform, nicht wahr? Er hat mir erzählt, dass er es arrangiert hat, dass Mrs. MacDonald an mehreren Orten in der Kolonie solche Reden hält.«
»Mit ihm selbst als Impresario, nehme ich an.« Ich konnte MacDonalds roten Rock im Geschiebe der Gratulanten auf der Terrasse aufleuchten sehen.
»Mit Sicherheit.« Jamie schien diese Vorstellung nicht zu freuen. Er machte im Gegenteil einen sehr nüchternen Eindruck, und sein Gesicht wurde von finsteren Gedanken überschattet. Es würde seine Stimmung nicht verbessern, wenn er von meiner Unterhaltung mit Neil Forbes hörte, aber ich erzählte ihm trotzdem davon.
»Nun, das war unvermeidlich«, sagte er mit einem schwachen Achselzucken. »Ich hatte gehofft, ich könnte die Sache geheim halten, aber so wie die Dinge mit Robin McGillivray stehen, bleibt mir nicht viel anderes übrig als zu fragen, wo ich kann, obwohl die Sache dadurch ans Licht kommt. Und ins Gerede.« Er war unruhig und trat von einem Bein aufs andere.
»Geht es dir gut, Sassenach?«, fragte er plötzlich und sah mich an.
»Ja. Aber dir nicht. Was ist los?«
Er lächelte schwach.
»Och, es ist nichts. Nichts, was ich nicht schon wusste. Aber es ist etwas anderes, nicht wahr? Man glaubt, man ist bereit, und dann steht man seinem Schicksal von Angesicht zu Angesicht gegenüber und würde alles darum geben, anders handeln zu können.«
Er richtete die Augen auf den Rasen und hob das Kinn, um auf die Menge zu deuten. Ein Meer aus Tartanstoff wogte im Gras, und die Damen hoben ihre Schirme zur Sonne, eine bunte Blumenwiese. Im Schatten der Terrasse spielte ein Dudelsackbläser, das Geräusch seines piobreachd ein dünner, durchdringender Diskant zum Summen der Unterhaltungen.
»Ich wusste, dass ich mich eines Tages gegen einen guten Teil von ihnen stellen müsste, aye. Gegen Freunde und Verwandte kämpfen. Aber dann stand ich auf einmal hier mit Fionnaghals Hand auf meinem Kopf wie bei einem Segen, von Angesicht zu Angesicht mit ihnen allen, und habe mit angesehen, wie sich ihre Worte über die Leute ergossen haben und ihre Entschlossenheit wuchs … und ganz plötzlich war es, als hätte sich eine gigantische Klinge vom Himmel zwischen sie und mich gesenkt, um uns für immer zu spalten. Der Tag rückt näher – und ich kann ihn nicht aufhalten.«
Er schluckte und wandte den Blick von mir ab zu Boden. Ich streckte die Hand nach ihm aus, hätte ihm gern geholfen, hätte es ihm gern leichter gemacht – und wusste, dass ich das nicht konnte. Es war schließlich meine Schuld, dass er sich hier befand, in diesem kleinen Gethsemane.
Dennoch nahm er meine Hand, ohne mich anzusehen, und drückte sie so fest, dass sich die Knochen aneinander rieben.
»Herr, lass diesen Kelch an mir vorübergehen?« , flüsterte ich.
Er nickte, ohne den Blick vom Boden zu heben, von den abgefallenen Blütenblättern der gelben Rosen. Dann sah er mich an, mit einem schwachen Lächeln, doch mit solcher Qual in den Augen, dass ich ins Herz getroffen den Atem anhielt.
Dennoch, er lächelte, wischte sich mit der Hand über die Stirn und betrachtete seine feuchten Finger.
»Aye, nun ja«, sagte er. »Es ist nur Wasser, kein Blut. Ich werd’s überleben.«
Oder auch nicht , dachte ich plötzlich entsetzt. Auf der Siegerseite zu kämpfen, war eine Sache; zu überleben eine ganz andere.
Er sah den Ausdruck in meinem Gesicht und lockerte den Druck auf meine Hand, weil er glaubte, er täte mir weh. Das tat er auch, aber nicht körperlich.
»Aber nicht mein Wille geschehe, sondern der deine« , sagte er ganz leise. »Ich habe meinen Weg gewählt, als ich dich geheiratet habe, obwohl ich es damals noch nicht wusste. Aber es war meine Wahl, und es gibt jetzt kein Zurück, selbst
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