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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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man in der Tat als »interessant« bezeichnen konnte.
    Sie reichten vom schlicht Grotesken bis hin zum wirklich Erschreckenden. Er holte nacheinander einen großen Zeh zum Vorschein, aus dem eine Warze von der Größe und Farbe eines Speisepilzes wuchs, eine eingelegte Zunge, die gespalten war – offenbar schon zu Lebzeiten des Besitzers, da die beiden Hälften vollständig zugeheilt waren -, eine Katze mit sechs Beinen, ein furchtbar deformiertes Gehirn (»einem gehängten Mörder entnommen«, wie er mich stolz unterrichtete. »Das wundert mich nicht«, erwiderte ich murmelnd, wobei ich an Donner dachte und mich fragte, wie wohl sein Gehirn aussah), eine Reihe von Säuglingen, wahrscheinlich Totgeburten, mit diversen scheußlichen Missbildungen.
    »Und das hier«, sagte er und holte mit zitternden Händen einen großen Glaszylinder zum Vorschein, »ist das Prachtstück meiner Sammlung. Es gibt einen berühmten Arzt in Deutschland, Doktor Blumenbach, der eine weltbekannte Schädelsammlung besitzt, und er bittet mich – nein, er bedrängt mich geradezu! -, mich davon zu trennen.«
    »Das hier« waren die fleischlose Wirbelsäule und die Schädelknochen eines zweiköpfigen Säuglings. Es war tatsächlich faszinierend. Außerdem war es etwas, das jede Frau im gebärfähigen Alter dazu bringen würde, sofort jeglichem Geschlechtsverkehr abzuschwören.
    So gruselig die Sammlung des Doktors war, so lieferte sie mir doch eine hervorragende Gelegenheit, mein eigentliches Anliegen anzusprechen.
    »Das ist wirklich erstaunlich«, sagte ich und beugte mich vor, als wollte ich die leeren Augenhöhlen der schwimmenden Schädel genauer betrachten. Wie ich sah, waren die Köpfe beide vollständig und voneinander getrennt; es war die Wirbelsäule, die sich geteilt hatte, so dass die Schädel Seite an Seite in der Flüssigkeit hingen, gespenstisch weiß und aneinander gelehnt, wobei sich die rundlichen Köpfchen sacht berührten, als flüsterten sie einander ein Geheimnis zu. Sie trennten sich nur, wenn eine Bewegung des Glases sie kurz auseinander schwimmen ließ. »Ich frage mich, wie es wohl zu einem solchen Phänomen gekommen ist?«
    »Oh, zweifellos hat sich die Mutter vor irgendetwas fürchterlich erschrocken«, versicherte mir Dr. Fentiman. »Frauen im Zustand der Erwartung sind schrecklich verletzlich gegenüber jeglicher Art von Aufregung oder Bestürzung, wisst Ihr. Man muss sie abgeschirmt und eingeschlossen halten und sie von allen schädlichen Einflüssen fern halten.«
    »Gewiss«, murmelte ich. »Aber wisst Ihr, manche Missbildungen – diese hier zum Beispiel? – entstehen doch, glaube ich, durch Syphilis der Mutter.«
    So war es; ich erkannte das typische deformierte Kinn, den schmalen
Schädel und die wie flach geschlagene Nase. Dieses Kind war mit seiner Haut konserviert worden und lag friedlich zusammengerollt in seiner Flasche. Da es keine Haare hatte und sehr klein war, war es wahrscheinlich eine Frühgeburt; ich hoffte um seinetwillen, dass es nicht lebend zur Welt gekommen war.
    »Siphi- Syphilis«, wiederholte der Doktor sacht schwankend. »Oh, ja. Ja, ja. Diese kleine Kreatur habe ich von, äh…« Etwas spät kam ihm der Gedanke, dass Syphilis vielleicht kein Thema war, über das man mit einer Dame redete. Mörderhirne und zweiköpfige Kinder, ja, aber keine Geschlechtskrankheiten. In der Kammer befand sich ein Glas, von dem ich mir einigermaßen sicher war, dass es den Hodensack eines Negers enthielt, der an Elephantiasis litt; mir fiel jedenfalls auf, dass er mir das nicht gezeigt hatte.
    »Von einer Prostituierten?«, erkundigte ich mich mitfühlend? »Ja, ich vermute, dass dieses Unglück unter solchen Frauen häufig sein muss.«
    Zu meinem Ärger wich er von dem Thema ab, auf das ich hinauswollte.
    »Nein, nein. In Wirklichkeit -«, er sah sich rasch um, als fürchtete er, dass jemand mithörte, dann beugte er sich zu mir herüber und flüsterte heiser, »dieses Exemplar habe ich von einem Kollegen in London bekommen. Angeblich ist es das Kind eines fremdländischen Adelsherrn!«
    »Oje«, sagte ich verblüfft. »Wie… interessant.«
    An diesem denkbar unpassenden Punkt kam seine Bedienstete mit Tee herein – oder vielmehr mit einem widerlichen Gebräu aus gerösteten Eicheln und Kamille, die man in Wasser hatte ziehen lassen -, und das Gespräch wandte sich unausweichlich gesellschaftlichen Trivialitäten zu. Ich hatte Angst, dass der Tee ihn ernüchtern könnte, bevor ich ihn erneut in die

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