Ein Hauch von Schnee und Asche
aber nicht sicher, ob es Gelächter oder Erschöpfung war. Dann richtete er sich auf, küsste mich auf die Stirn und nahm mich beim Arm.
Neil Forbes saß mit gespreizten Beinen und ruinierter Frisur mitten auf der Straße. Auf einer Seite war er von der Schulter bis zum Knie schwarz vom Teer. Er hatte einen Schuh verloren, und einige hilfsbereite Umstehende versuchten, ihm die Federn aus den Kleidern zu picken. Jamie führte mich im weiten Bogen um ihn herum und nickte ihm im Vorbeigehen freundlich zu.
Forbes blickte funkelnd auf und murmelte etwas, während sich sein feistes Gesicht hasserfüllt verzog. Im Großen und Ganzen, dachte ich, war es wohl ganz gut, dass ich ihn nicht hören konnte.
Ian und Fergus waren mit dem Großteil der Randalierer davongegangen, zweifellos, um anderswo Unheil zu stiften. Jamie und ich zogen uns in das »Sycamore« zurück, ein Gasthaus an der River Street, um uns zu erfrischen und wieder herzurichten. Jamies Ausgelassenheit ließ allmählich nach, während ich ihn von Teer und Federn befreite, bekam dann aber einen drastischen Dämpfer verpasst, als er von meinem Besuch bei Dr. Fentiman hörte.
»Man macht was damit?« Während meiner Erzählung der Geschichte von Stephen Bonnets Testikel war Jamie leicht zusammengezuckt. Als ich bei der Beschreibung der Penisspritzen anlangte, schlug er unwillkürlich die Beine übereinander.
»Nun, man führt natürlich das nadelartige Ende ein Stückchen weit ein und dann spült man wohl die Harnröhre mit einer Lösung aus, zum Beispiel Quecksilberchlorid.«
»Die, äh…«
»Soll ich es dir zeigen?«, erkundigte ich mich. »Ich habe meinen Korb bei den Bogues’ stehen gelassen, aber ich kann ihn holen und -«
»Nein.« Er beugte sich vor und stützte die Ellbogen entschlossen auf die Knie. »Glaubst du, dass es sehr brennt?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass es angenehm ist.«
Er erschauerte kurz.
»Nein, das denke ich auch.«
»Ich glaube außerdem nicht, dass es tatsächlich wirkt«, fügte ich nachdenklich hinzu. »Eine Schande, so etwas über sich ergehen zu lassen und nicht geheilt zu werden. Findest du nicht?«
Er betrachtete mich mit der nervösen Ausstrahlung eines Mannes, dem gerade klar geworden ist, dass das Paket, das neben ihm steht, tickt.
»Was -«, begann er, und ich kam hastig zum Ende.
»Dann macht es dir also nichts aus, bei Mrs. Sylvie vorbeizuschauen und dafür zu sorgen, dass ich die Mädchen behandeln kann, oder?«
»Wer ist Mrs. Sylvie?«, fragte er argwöhnisch.
»Die Besitzerin des hiesigen Bordells«, sagte ich und holte tief Luft. »Dr. Fentimans Dienstmädchen hat mir von ihr erzählt. Mir ist zwar klar, dass es möglicherweise mehr als ein Bordell im Ort gibt, aber Mrs. Sylvie kennt ja sicherlich ihre Mitbewerber, falls es welche gibt, daher kann sie dir sagen -«
Jamie fuhr sich mit der Hand über das Gesicht und zog seine Unterlider herunter, so dass das blutunterlaufene Aussehen seiner Augen noch stärker zur Geltung kam.
»Ein Bordell«, wiederholte er. »Du möchtest, dass ich in ein Bordell gehe.«
»Nun ja, ich gehe natürlich mit, wenn du das möchtest«, bot ich an. »Obwohl ich glaube, dass du allein besser zurechtkommen wirst. Ich würde es ja selbst tun«, fügte ich ein wenig scharf hinzu, »aber ich habe das Gefühl, dass sie eventuell nicht auf mich hören könnten.«
Er schloss ein Auge und betrachtete mich mit dem anderen, das aussah, als hätte man es mit Schmirgelpapier traktiert.
»Oh, das glaube ich schon«, sagte er. »Das war es also, was du vorhattest, als du darauf bestanden hast, mich in den Ort zu begleiten, ja?« Er klang leicht verbittert.
»Nun… ja«, gab ich zu. »Obwohl ich wirklich Chinarinde brauchte. Außerdem«, fügte ich in aller Logik hinzu, »hättest du das mit Bonnet nicht herausgefunden, wenn ich nicht mitgekommen wäre. Oder auch die Sache mit Lucas.«
Er sagte etwas auf Gälisch, das ich grob als Hinweis übersetzte, dass er ohne dieses Wissen genauso glücklich hätte weiterleben können.
»Außerdem kennst du dich doch mit Bordellen bestens aus«, sagte ich. »Du hattest sogar einmal ein Zimmer in einem, in Edinburgh.«
»Aye, das stimmt«, pflichtete er mir bei. »Aber damals war ich auch nicht verheiratet – oder doch, aber ich – aye, nun ja, ich meine, es kam mir damals sehr entgegen, dass die Leute dachten, ich -« Er brach ab und sah mich flehend an. »Sassenach, möchtest du wirklich, dass jedermann in Cross Creek glaubt,
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