Ein Hauch von Schnee und Asche
den Mund. »Dai Jones ist nicht kunstfertig genug, um ein
Schwert zu flicken. Und nach allem, was ich höre, werdet Ihr in Salisbury nicht viele Freunde finden.« Salisbury war eine Hochburg der Regulatorenbewegung gewesen, und die regierungsfeindliche Stimmung dort hatte nicht nachgelassen. Sein Herz schlug jetzt wieder in seinem normalen Rhythmus, doch er hatte immer noch weiche Knie von seiner Flucht und der Konfrontation mit der Wut der anderen.
MacDonald nickte trostlos, dann heftete er seinen Blick auf Gideon.
»Kann man den reiten?«
»Nein.«
So aufgeregt, wie Gideon war, hätte Jamie es im Moment nicht einmal riskiert, ihn allein zu reiten, geschweige denn zu zweit und ohne Trense. Zumindest hatten sie das Seil an seinem Sattel hängen gelassen. Er schaffte es, dem Hengst eine Schlinge um den Hals zu legen, ohne gebissen zu werden, und sie setzten sich kommentarlos in Bewegung und kehrten zu Fuß nach Fraser’s Ridge zurück.
»Höchst unglücklich«, merkte MacDonald irgendwann nachdenklich an. »Dass sie uns zusammen angetroffen haben. Meint Ihr, damit ist Eure Chance dahin, Euch in ihre Beratungen einzuschleichen? Ich hätte mein linkes Kronjuwel dafür gegeben, ein Auge und ein Ohr in dieser Zusammenkunft zu haben, von der sie gesprochen haben, das kann ich Euch versichern.«
Schwach verwundert begriff Jamie, dass er zwar seine spontane Erklärung abgegeben hatte, vor den Ohren des Mannes, dessen Sache er zu verraten gedachte, und dann beinahe von seinen neuen Verbündeten umgebracht worden wäre, deren Seite er zu unterstützen gedachte – dass ihm aber keine der beiden Seiten geglaubt hatte.
»Fragt Ihr Euch je, wie es sich anhört, wenn Gott lacht, Donald?«, fragte er nachdenklich.
MacDonald spitzte die Lippen und blickte zum Horizont, wo sich dunkle Wolken über den Bergkamm zu schieben begannen.
»Wie Donner, denke ich«, sagte er. »Meint Ihr nicht?«
Jamie schüttelte den Kopf.
»Nein. Ich glaube, es ist nur ein ganz leises Geräusch.«
66
Dunkelheit steigt auf
Ich hörte all die diversen Töne des Haushalts unter mir und das Brummeln von Jamies Stimme im Freien und fühlte mich absolut friedvoll. Ich beobachtete, wie sich das Sonnenlicht draußen auf den gelb werdenden Kastanienbäumen
verlagerte, als der Klang von Schritten die Treppe heraufmarschiert kam, rhythmisch und entschlossen.
Die Tür flog auf, und Brianna kam herein, vom Wind zerzaust und mit leuchtendem Gesicht, das allerdings eine stählerne Miene trug. Sie blieb am Fußende meines Bettes stehen, richtete ihren langen Zeigefinger auf mich und sagte: »Es kommt nicht in Frage, dass du stirbst.«
»Oh?«, sagte ich und blinzelte. »Ich wusste gar nicht, dass ich das vorhatte.«
»Du hast es versucht!«, klagte sie mich an. »Das weißt du ganz genau!«
»Na ja, versucht kann man nicht direkt sagen …«, begann ich schwach. Ich hatte zwar nicht direkt versucht zu sterben, aber es stimmte auch, dass ich nicht richtig versucht hatte, es nicht zu tun. Ich muss ein schuldbewusstes Gesicht gemacht haben, denn ihre Augen verengten sich zu blauen Schlitzen.
»Mach das ja nicht noch einmal!«, sagte sie, fuhr mit wirbelndem blauem Umhang herum und stampfte hinaus. An der Tür blieb sie stehen, um mit erstickter Stimme »Weilichdichliebeundesohnedichnichtgeht« zu sagen, bevor sie die Treppe hinunterpolterte.
»Ich liebe dich auch, Schatz!«, rief ich, und die allzeit bereiten Tränen stiegen mir in die Augen, doch es kam keine Antwort außer dem Geräusch der Haustür, die sich schloss.
Adso, der in einem Kegel aus Sonnenlicht zu meinen Füßen auf der Tagesdecke döste, öffnete bei dem Lärm die Augen einen Millimeter breit, dann versenkte er den Kopf wieder zwischen seinen Schultern und schnurrte noch lauter.
Ich legte mich auf das Kissen zurück. Ich fühlte mich zwar um einiges weniger friedvoll, aber sehr viel lebendiger. Einen Moment später setzte ich mich auf, schlug die Bettdecke zurück und schwang die Beine aus dem Bett. Adsos Schnurren verstummte abrupt.
»Keine Sorge«, sagte ich zu ihm. »Ich werde nicht umfallen; deine Versorgung mit Milch und Futter ist gesichert. Halt das Bett für mich warm.«
Natürlich war es nicht das erste Mal, dass ich aufstand, und man hatte mir sogar schon kurze Ausflüge ins Freie gestattet, bei denen ich mit Argusaugen beobachtet wurde. Aber seit meiner Erkrankung hatte mich niemand mehr versuchen lassen, allein irgendwo hinzugehen, und ich war mir einigermaßen sicher,
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