Ein Hauch von Schnee und Asche
können.«
»Nun ja, ich habe mich schon gefragt, was meine Mutter wohl gesagt hätte, wenn sie dort gewesen wäre«, sagte er und lächelte, obwohl es ihm ernst war.
Brianna, die Ians Mutter einmal begegnet war, lachte bei diesem Gedanken.
»Tante Jenny wäre mit jedem Mohawk fertig geworden, ob Mann oder Frau«, versicherte sie ihm. »Aber was ist dann geschehen?«
»Ich habe Emily geliebt«, sagte er schlicht. »Und sie hat mich geliebt.«
Diese Tatsache, die innerhalb kürzester Zeit für jeden im Dorf deutlich sichtbar wurde, sorgte für beträchtliches Gerede. Man war allgemein davon ausgegangen, dass Wakyo’teyehsnonsha, das Mädchen, das Ian Emily nannte, Sun Elk heiraten würde, der schon seit seiner Kindheit ein regelmäßiger Besucher am Herdfeuer ihrer Familie gewesen war.
»Aber dann kam das.« Ian breitete die Hände aus und zuckte mit den Achseln. »Sie hat mich geliebt, und das hat sie auch gesagt.«
Als Ian in den Wolfs-Clan aufgenommen worden war, hatte er auch Zieheltern bekommen – die Eltern des Toten, an dessen Stelle er adoptiert worden war. Seine Ziehmutter war von der ganzen Situation etwas überrumpelt worden, doch nachdem sie mit den anderen Frauen darüber diskutiert hatte, war sie zu einer formellen Besprechung zu Tewaktenyonh, Emilys Großmutter, gegangen, die die einflussreichste Frau im ganzen Dorf war.
»Und so haben wir geheiratet.« In ihren besten Kleidern, begleitet von ihren Eltern hatten die beiden jungen Leute zusammen vor dem ganzen Dorf auf einer Bank gesessen und Körbe ausgetauscht – der seine enthielt Zobel-und Biberfelle und ein Messer als Symbol für seine Bereitschaft, für sie zu jagen und sie zu beschützen; der ihre Getreide, Früchte und Gemüse als Symbol für ihre Bereitschaft, für ihn zu pflanzen, zu ernten und zu sorgen.
»Und vier Monate später«, fügte Ian hinzu, »hat Sun Elk Emilys Schwester Looking at the Sky geheiratet.«
Brianna zog ihre Augenbraue hoch.
»Aber…?«
»Aye, aber.«
Ian besaß das Gewehr, dass Jamie ihm dagelassen hatte, für die Indianer ein seltener und wertvoller Gegenstand, und er wusste, wie man es benutzte. Außerdem wusste er, wie man eine Spur verfolgte, wie man einen Hinterhalt legte und wie man sich in die Gedanken eines Tieres versetzte; weitere wertvolle Dinge aus Onkel Jamies Hinterlassenschaft.
Demzufolge war er einer der besten Jäger und erntete rasch Respekt für seine Fähigkeiten bei der Fleischbeschaffung. Sun Elk war ein brauchbarer Jäger – nicht der beste, aber kompetent. Die jungen Männer machten oft Witze und Bemerkungen, mit denen sie sich über die Fähigkeiten der anderen lustig machten; er selbst tat das ebenfalls. Doch Sun Elks Witze über Ian hatten einen Unterton, bei dem ihm ab und zu einer der anderen Männer einen scharfen Blick zuwarf, um sich dann mit einem kaum merklichen Achselzucken wieder abzuwenden.
Eigentlich hatte er vorgehabt, den Mann zu ignorieren. Dann hatte er gesehen, wie Sun Elk Wakyo’teyehsnonsha ansah, und ihm war schlagartig alles klar geworden.
Es war an einem Spätsommertag, und sie war mit ein paar anderen jungen Frauen unterwegs in den Wald gewesen. Sie hatten Körbe zum Sammeln dabei; Wakyo’teyehsnonsha hatte eine Axt in ihrem Gürtel stecken. Eine der anderen Frauen hatte sie gefragt, ob sie nach Holz für eine weitere Schale wie die suchen wollte, die sie für ihre Mutter gemacht hatte; Works with her Hands hatte – mit einem raschen, warmen Blick auf Ian, der mit den anderen jungen Männern daneben saß – gesagt, nein, sie hoffe, einen schönen Lebensbaum zu finden, um aus dem Holz eine Babytrage zu machen.
Die Frauen hatten gekichert und Wakyo’teyehsnonsha umarmt; die jungen Männer hatten gegrinst und Ian viel sagend zwischen die Rippen gestoßen. Und dann war Ians Blick auf Sun Elk gefallen, dessen heiße Augen gebannt auf Emilys geraden Rücken starrten, als sie sich entfernte.
Innerhalb eines Mondes war Sun Elk in das Langhaus gezogen, als Mann der Schwester seiner Frau, Looking at the Sky . Die Abteile der Schwestern lagen einander gegenüber; sie hatten ein gemeinsames Herdfeuer. Ian war nur noch selten aufgefallen, wie Sun Elk Emily ansah – aber er hatte ihn viel zu oft den Kopf mit Bedacht abwenden sehen.
»Da ist eine Person, die dich begehrt«, hatte er eines Nachts zu Emily gesagt. Die Stunde des Wolfs war lange vorbei, es war tiefe Nacht, und rings um sie herum schlief das Langhaus. Das Kind, das sie unter dem Herzen
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