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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mit dem ihren kämpft und ihn besiegt. Wenn sein Geist nicht stark genug ist -« Seine Stimme wurde wieder klar, als er ein Stück der Kletterpflanze abriss, den Ast abbrach, an dem sie hing und ihn heftig von sich warf. »Dann kann das Kind in ihrem Bauch nicht anwachsen.«
    Nach diesem zweiten Verlust hatte der Rat der Medizinmänner die beiden in eine separate Hütte gebracht, um dort zu singen, zu trommeln und mit riesigen, bemalten Masken zu tanzen, die das Böse verjagen sollten, das Ians Geist mit Beschlag belegte – oder Emilys unverhältnismäßig stärkte.
    »Als ich die Masken gesehen habe, hätte ich am liebsten gelacht«, sagte Ian. Er drehte sich nicht um; gelbe Blätter verzierten die Schultern seines Lederhemdes und blieben in seinem Haar hängen. »Man nennt sie auch den Rat der komischen Fratzen, und das mit gutem Grund. Aber ich hab’s nicht getan.«
    »Ich gehe davon aus, dass Emily auch nicht gelacht hat.« Er ging so schnell, dass sie Mühe hatte, mit ihm Schritt zu halten, obwohl sie fast genauso lange Beine hatte wie er.
    »Nein«, sagte er und stieß selbst ein kurzes, bitteres Lachen aus. »Das hat sie nicht.«
    Sie hatte die Medizinhütte schweigend und aschfahl an seiner Seite betreten, sie aber mit einem friedvollen Gesicht verlassen und war in derselben Nacht im Bett voll Liebe zu ihm gekommen. Drei Monate lang hatten sie sich zärtlich und eifrig geliebt. Drei weitere Monate hatten sie es mit einem Gefühl wachsender Verzweiflung getan.
    »Und dann sind ihre Tage wieder ausgeblieben.«
    Er hatte sofort von ihr abgelassen, weil er fürchtete, ein weiteres Unglück
zu verursachen. Emily hatte sich nur noch langsam und vorsichtig bewegt und war nicht länger aufs Feld gegangen, sondern im Langhaus geblieben. Dort hatte sie gearbeitet, immerfort gearbeitet, mit ihren Händen. Gewebt, gemahlen, geschnitzt, Löcher in Wampumperlen gebohrt, die Hände unablässig in Bewegung zum Ausgleich für die Reglosigkeit ihres wartenden Körpers.
    »Ihre Schwester ist auf die Felder gegangen. Es ist Sitte, dass dies die Frauen tun, verstehst du?« Er hielt inne, um eine Dornenranke mit dem Messer abzuschneiden und den abgeschnittenen Zweig beiseite zu werfen, damit er nicht zurückschnellte und Brianna im Gesicht traf.
    » Looking at the Sky hat uns Essen gebracht. Alle Frauen haben das getan, aber sie am meisten. Sie war ein liebes Mädchen, Karònya.«
    Bei diesen Worten verlor er kurz die Stimme, zum ersten Mal im Verlauf seiner schonungslosen Aufzählung der Tatsachen.
    »Was ist mit ihr geschehen?« Brianna beschleunigte ihre Schritte ein wenig, als sie am oberen Ende einer grasbewachsenen Böschung auskamen, so dass sie fast mit ihm gleichzog. Er verlangsamte die seinen, drehte sich aber nicht zu ihr um – er hielt das Gesicht nach vorn gerichtet, als stelle er sich einem Feind.
    »Verschleppt.« Looking at the Sky war oft länger auf dem Feld geblieben als die anderen Frauen, um zusätzlichen Mais oder Kürbisse für ihre Schwester und Ian zu sammeln, obwohl sie inzwischen selbst ein Kind hatte. Eines Abends kehrte sie nicht zum Langhaus zurück, und als die Dorfbewohner sich auf die Suche nach ihr gemacht hatten, hatten sie weder sie noch das Kind gefunden. Die beiden waren verschwunden und hatten nur einen hellen Mokassin zurückgelassen, der sich am Rand eines Feldes in den Kürbisranken verfangen hatte.
    »Abenaki«, sagte Ian kurz angebunden. »Wir haben das Zeichen am nächsten Tag gefunden; es war schon dunkel, als wir angefangen haben, ernsthaft nach ihnen zu suchen.«
    Sie hatten eine lange Nacht hindurch gesucht, auf die eine ganze Woche folgte – eine Woche wachsender Angst und Leere -, und Ian war im Morgengrauen des siebten Tages an den Herd seiner Frau zurückgekehrt, um zu erfahren, dass sie wieder eine Fehlgeburt gehabt hatte.
    Er blieb stehen. Er schwitzte heftig vom schnellen Gehen und wischte sich mit dem Ärmel über das Kinn. Brianna konnte ebenfalls spüren, wie ihr der Schweiß über den Rücken rann und ihr das Jagdhemd anfeuchtete, doch sie achtete nicht darauf. Sie legte ihm ganz sanft die Hand auf den Rücken, sagte aber nichts.
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus, der beinahe erleichtert klang, dachte sie – vielleicht, weil die schreckliche Geschichte beinahe zu Ende war.
    »Wir haben es noch eine Zeit lang versucht«, erzählte er jetzt wieder ganz sachlich. »Emily und ich. Aber sie war nicht mehr mit dem Herzen dabei.

    Sie hatte kein Vertrauen mehr in mich.

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