Ein Hauch von Schnee und Asche
das beste Frühstück, das sie gegessen hatte, seitdem sie ihre eigene Zeit verlassen hatte.
Das sagte sie auch, und Ian zog verächtlich die Augenbraue hoch.
»Oh, aye? Und was würdest du dann essen, das du besser findest?«
»Oooh … Schokodonuts vielleicht. Oder heiße Schokolade mit Marshmallows. Schokolade fehlt mir wirklich.« Obwohl es gerade schwer war, sie zu vermissen, während sie sich den Honig von den Fingern leckte.
»Och, das meinst du doch nicht ernst! Ich habe schon einmal Schokolade getrunken.« Er kniff die Augen zu und verzog übertrieben angewidert den
Mund. »Ein bitteres, widerliches Zeug. Obwohl sie furchtbar viel Geld dafür verlangen, nur für ein winziges Tässchen, in Edinburgh«, fügte er praktisch denkend hinzu und entspannte sein Gesicht wieder.
Sie lachte.
»Dort, wo ich herkomme, gibt man Zucker hinein«, versicherte sie ihm. »Sie ist süß.«
»Zucker in Schokolade? Das ist das Dekadenteste, was ich je gehört habe«, sagte er in ernstem Ton. »Sogar noch schlimmer als das Arschwischpapier, aye?« Doch sie sah den Schalk in seinen Augen glitzern und prustete nur, während sie die letzten Reste der orangen Süßkartoffel aus der geschwärzten Schale knabberte.
»Eines Tages werde ich uns Schokolade besorgen, Ian«, sagte sie. Sie warf die leere Schale fort und leckte sich die Finger wie eine Katze. »Die werde ich dann zuckern, und dann sehen wir ja, was du davon hältst!«
Jetzt war es an ihm, gutmütig zu prusten, doch er gab keine weiteren Kommentare ab und konzentrierte sich stattdessen darauf, sich ebenfalls die Hände sauber zu lecken.
Rollo hatte die Reste der Bienenwabe an sich gebracht und kaute laut schlürfend und hingebungsvoll an dem Wachs.
»Dieser Hund muss eine Verdauung wie ein Krokodil haben«, sagte Brianna und schüttelte den Kopf. »Gibt es irgendetwas, das er nicht frisst?«
»Nun, ich habe es noch nicht mit Nägeln versucht.« Ian lächelte flüchtig, ließ sich aber nicht auf die Unterhaltung ein. Die Beklommenheit, die sich über ihn gelegt hatte, als er von Träumen gesprochen hatte, war während des Frühstücks verschwunden, doch jetzt schien sie zurückgekehrt zu sein. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, doch er machte keine Anstalten aufzustehen. Er saß einfach nur da, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte nachdenklich in das Feuer, während die höher steigende Sonne den Flammen das Licht nahm.
Brianna, die es selbst nicht besonders eilig mit dem Aufbruch hatte, wartete geduldig, ohne die Augen von ihm abzuwenden.
»Und was hast du bei den Mohawk zum Frühstück gegessen, Ian?«
Da sah er sie an, und seine Mundwinkel verzogen sich. Kein Lächeln, sondern die ironische Bestätigung, dass er sie gehört hatte. Er seufzte und verbarg dann sein Gesicht, indem er den Kopf auf die Knie legte. Eine Weile saß er so zusammengesunken da, dann richtete er sich langsam auf.
»Also«, begann er in sachlichem Tonfall. »Es hatte etwas mit meinem Schwager zu tun. Zumindest anfangs.«
Ian Murray hatte das Gefühl, dass er in Bezug auf seinen Schwager bald etwas unternehmen musste. Nicht, dass »Schwager« das genaue Wort dafür war. Aber Sun Elk – Sonnenelch – war der Mann von Looking at the Sky – Die-zum-Himmel-blickt -, und diese wiederum war die Schwester seiner
eigenen Frau. Nach den Gebräuchen der Kahnyen’kehaka bedeutete dies zwar keine Verwandtschaft zwischen den beiden Männern über ihre Clanszugehörigkeit hinaus, aber wenn Ian an Sun Elk dachte, benutzte er den weißen Teil seines Verstandes.
Das war der geheime Teil. Seine Frau konnte zwar Englisch, doch sie sprachen es nie, nicht einmal, wenn sie allein waren. Er sprach niemals ein Wort Schottisch oder Englisch und hatte auch kein Wort mehr in einer dieser Sprachen gehört, seit er vor einem Jahr beschlossen hatte, zu bleiben und Kahnyen’kehaka zu werden. Die Allgemeinheit ging davon aus, dass er vergessen hatte, was er gewesen war. Doch jeden Tag nahm er sich ein paar Minuten Zeit für sich selbst. Und um die Worte nicht aus dem Sinn zu verlieren, benannte er schweigend die Gegenstände rings um sich herum und hörte im verborgenen, weißen Teil seines Verstandes das Echo ihrer englischen Bezeichnungen.
Topf , dachte er bei sich und sah blinzelnd auf den schwarzen Keramiktopf, der sich in der Asche erwärmte. Eigentlich war er im Moment gar nicht allein. Jedoch hatte er das ausgeprägte Gefühl, ein Fremder zu sein.
Mais , dachte er und lehnte sich an den
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