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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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klar wurde, was er gesagt hatte. Ich nickte, schwieg aber.
    Ich erinnerte mich daran, wie es war; dieses Gefühl, in einer ausgetüftelten Illusion zu leben. Das Gefühl, dass die Realität in einer anderen Zeit, an einem anderen Ort existierte. Ich erinnerte mich daran und begriff ein wenig erschrocken, dass es für mich tatsächlich nur noch eine Erinnerung war – für mich hatte die Zeit einen Ruck getan, als hätte mich meine Krankheit eine letzte Barriere durchbrechen lassen.
    Meine Zeit war jetzt , meine Realität das raue Holz und der schlüpfrige Speck unter meinen Fingern, der Verlauf der Sonne, der mir meinen Tagesrhythmus vorschrieb, Jamies Nähe. Es war die andere Welt mit ihren Autos und ihrem Telefongeklingel, mit ihren Weckern und Hypotheken, die mir unwirklich und weit entfernt vorkam, der Stoff, aus dem die Träume waren.
    Doch weder Roger noch Brianna hatten diesen Übergang vollzogen. Ich konnte es an ihrem Verhalten sehen, es am Widerhall ihrer Unterhaltungen hören, wenn sie unter sich waren. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie einander hatten; sie konnten sich die andere Zeit lebendig erhalten; eine kleine Welt, die nur sie teilten. Für mich war die Veränderung leichter. Ich hatte schon einmal hier gelebt, und diesmal war ich schließlich bewusst hergekommen – und ich hatte Jamie. Was auch immer ich ihm von der Zukunft erzählte, es war ihm unmöglich, etwas anderes als ein Märchen darin zu sehen. Unsere kleine gemeinsame Welt war aus anderen Dingen gemacht.
    Doch wie sollten Brianna und Roger zurechtkommen? Es war gefährlich, mit der Vergangenheit so umzugehen, wie sie es manchmal taten – wie mit etwas Pittoreskem, Seltsamem, einem vorübergehenden Zustand, dem man entrinnen konnte. Für sie gab es kein Entrinnen – ob aus Liebe oder Pflichtgefühl,
Jemmy hielt sie beide hier, ein kleiner, rotschöpfiger Anker, der sie an die Gegenwart band. Besser – oder zumindest sicherer -, wenn es ihnen gelang, diese Zeit voll und ganz als die Ihre zu akzeptieren.
    »Bei den Indianern gibt es das ebenso«, informierte ich Roger. »Das Grallochgebet oder etwas Ähnliches. Deshalb habe ich gesagt, ich denke, es ist älter als die Kirche.«
    Er nickte voller Interesse.
    »Ich glaube, dass alle primitiven Kulturen einen solchen Brauch kennen – dass es ihn überall gibt, wo Menschen jagen, um zu essen.«
    Primitive Kulturen. Ich biss mir auf die Unterlippe und verkniff es mir, ihn darauf hinzuweisen, dass er höchstwahrscheinlich gleichfalls gezwungen sein würde, für seine Familie zu töten, wenn sie überleben sollte – wie primitiv das auch sein mochte. Doch dann fiel mein Blick auf seine Hand, deren blutige Finger er geistesabwesend aneinander rieb. Er wusste es bereits. Doch, das musste ich , hatte er erwidert, als ich ihm gesagt hatte, dass es doch nicht nötig gewesen wäre.
    In diesem Moment blickte er auf, sah meine Miene und schenkte mir ein schwaches, müdes Lächeln. Er verstand.
    »Ich glaube, vielleicht… das Schlachten ohne Vorbereitung kommt mir wie Mord vor«, sagte er langsam. »Wenn man sich vorbereiten kann – mit einer Art Ritual, mit dem man sich die Notwendigkeit dieser Tat eingesteht …«
    »Die Notwendigkeit – und genauso, dass sie ein Opfer ist.« Jamies Stimme ertönte leise hinter mir, und ich schrak zusammen. Ich wandte abrupt den Kopf. Er stand im Schatten der großen Blaufichte. Ich fragte mich, wie lange er schon dort war.
    »Hab dich nicht kommen hören«, sagte ich und wandte ihm mein Gesicht zum Kuss zu, als er zu mir trat. »Ist der Major fort?«
    »Nein«, sagte er und küsste mich auf die Stirn, eine der wenigen verbliebenen sauberen Stellen. »Ich habe ihn eine Weile bei Sinclair gelassen. Er ist wegen des Komitees für die Sicherheit hier, aye?« Er schnitt eine Grimasse, dann wandte er sich Roger zu.
    »Aye, du hast Recht«, sagte er. »Es ist niemals angenehm, ein Tier zu schlachten, aber es muss sein. Aber wenn man schon Blut vergießen muss, dann ist es nur recht, es dankbar zu tun.«
    Roger nickte und blickte auf die Mischung, mit der ich beschäftigt war, bis zu den Ellbogen in das Blut getaucht, das er vergossen hatte.
    »Dann wirst du mich nächstes Mal die richtigen Worte lehren?«
    »Für diesmal ist es auch noch nicht zu spät, oder?«, sagte ich. Beide Männer zogen leicht verblüffte Gesichter. Mit hochgezogener Augenbraue sah ich erst Jamie an, dann Roger. »Ich habe doch gesagt, es ist weniger für das Schwein.«
    Jamie erwiderte

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