Ein Hauch von Schnee und Asche
Jocasta.«
Ich nickte, wenn auch widerstrebend. Freundschaft war ein zu starkes Wort; jemand in Phaedres Position konnte nicht mit mir befreundet sein. Einer solchen Zuneigung standen zu viele Einschränkungen im Wege – Argwohn, Misstrauen, die gewaltige Kluft des Unterschiedes, den die Sklaverei mit sich brachte.
Und doch bestand zwischen uns ein gewisses Gefühl der Zuneigung, so viel stand fest. Und ich hatte Seite an Seite mit ihr gearbeitet, Pflanzen gesetzt und geerntet, Kräuter für die Arzneikammer präpariert, ihren Gebrauch erklärt. Wir hatten gemeinsam eine Tote begraben und einen Plan ausgeheckt, um die entlaufene Sklavin zu schützen, die des Mordes angeklagt war. Sie hatte ein gewisses Talent im Umgang mit Kranken, Phaedre, und sie kannte sich mit Kräutern aus. Mit kleineren Problemen konnte sie selbst fertig werden. Doch eine unerwartete Schwangerschaft …
»Aber was meint sie denn, was ich tun könnte, frage ich mich.« Ich dachte laut vor mich hin, und meine Fingerspitzen waren kalt. Wenn eine Sklavin unerwartet ein Kind bekam, so war dies für ihren Besitzer kein Problem – im Gegenteil, man würde es als zusätzlichen Besitz willkommen heißen. Allerdings hatte ich schon davon gehört, dass Sklavinnen ihre Kinder lieber bei der Geburt umbrachten als sie in der Sklaverei aufwachsen zu lassen. Doch Phaedre war Haussklavin und wurde gut behandelt; außerdem trennte Jocasta ihre Sklavenfamilien nicht, das wusste ich. Wenn es das war, konnte Phaedres Lage gar nicht so aussichtslos sein – andererseits, wie wollte ich das beurteilen?
Unsicher pustete ich ein dampfendes Atemwölkchen aus.
»Ich verstehe einfach nicht, warum – ich meine, sie kann doch unmöglich
erwarten, dass ich ihr helfen würde, ein Kind loszuwerden. Und für alles andere – warum ich? Es gibt doch Hebammen und Heiler, die viel dichter in ihrer Nähe leben. Es ergibt einfach keinen Sinn.«
»Was, wenn -«, begann Brianna und hielt inne. Sie spitzte nachdenklich die Lippen und ließ den Blick von mir zu Jamie und zurück schweifen. »Was«, sagte sie vorsichtig, »wenn sie schwanger wäre, aber der Vater … jemand ist, der es nicht sein sollte?«
Argwöhnische, aber humorvolle Spekulation regte sich in Jamies Blick, was die Ähnlichkeit zwischen ihm und Brianna noch verstärkte.
»Wer denn?«, sagte er. »Farquard Campbell?«
Ich lachte laut auf, und Brianna prustete vor Belustigung, so dass weiße Atemwölkchen ihren Kopf umschwebten. Die Vorstellung, wie der aufrechte – und nicht mehr ganz junge – Farquard Campbell eine Haussklavin verführte, war …
»Wohl kaum«, sagte Brianna. »Obwohl er natürlich diese ganzen Kinder hat. Aber mir ist plötzlich der Gedanke gekommen – was, wenn es Duncan wäre?«
Jamie räusperte sich und vermied es, mich anzusehen. Ich spürte, wie mein Gesicht rot wurde, und biss mir auf die Lippe. Duncan hatte Jamie vor seiner Hochzeit mit Jocasta seine Impotenz gestanden – doch das wusste Brianna nicht.
»Oh, das halte ich nicht für wahrscheinlich«, sagte Jamie, der ein wenig erstickt klang. Er hustete und fächerte sich den Rauch, der vom Kohlebecken aufstieg, aus dem Gesicht. »Wie kommst du denn auf diese Idee?«
»Nicht durch Duncan«, versicherte sie ihm. »Aber Tante Jocasta ist nun einmal, na ja, alt. Und du weißt doch, wie Männer sein können.«
»Nein, wie denn?«, fragte Roger, ohne eine Miene zu verziehen, und ich musste husten, um nicht loszulachen.
Jamie betrachtete mich mit einem gewissen Zynismus.
»Um einiges besser als du, a nighean . Und es gibt zwar viele Männer, auf die ich nicht viel verwetten würde, aber ich würde doch guten Gewissens einiges darauf setzen, dass Duncan Innes nicht der Mann ist, der sein Ehegelübde mit der schwarzen Sklavin seiner Frau bricht.«
Ich stieß ein leises Geräusch aus, und Roger musterte mich mit hochgezogener Augenbraue.
»Stimmt etwas nicht?«
»Alles bestens«, behauptete ich und klang erstickt. »Bestens.« Ich zog mir eine Ecke meines Schultertuchs über das zweifellos puterrote Gesicht und hustete demonstrativ. »Ziemlich … verqualmt hier, nicht wahr?«
»Vielleicht«, räumte Brianna an Jamie gewandt ein. »Möglich, dass es etwas ganz anderes ist. Es ist nur, dass Phaedre die Notiz an ›die Heilerin‹ geschickt hat, und zwar wahrscheinlich, weil sie Mamas Namen nicht benutzen wollte, denn es hätte ja sein können, dass jemand den Zettel zu Gesicht
bekam, bevor er hier eintraf. Ich dachte nur,
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