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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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hell, doch ein Sturm zog auf; Wolkenfetzen strömten von Osten herbei, und der Wind kam in Stößen, die meine Röcke aufwirbelten wie einen herrenlosen Sonnenschirm.
    Auf der rückwärtigen Terrasse war es weniger windig, denn sie war durch ihre hüfthohe Ummauerung geschützt. Als ich von hier aus hochblinzelte, sah ich genau auf das Fenster, aus dem Phaedre hinausgeschaut hatte, als ich sie in der Nacht nach dem Empfang dort gefunden hatte.
    »Sie hat mir gesagt, dass irgendetwas im Gange war«, sagte ich. »Am Abend nach Mrs. MacDonalds Empfang. Irgendetwas hat ihr damals Sorgen gemacht.«
    Jamie warf mir einen neugierigen Blick zu.
    »Oh, aye? Aber das hatte doch sicher nichts mit Duncan zu tun, oder?«, wandte er ein.
    »Ich weiß.« Ich zuckte hilflos mit den Achseln. »Sie schien selbst nicht zu wissen, was es war – sie hat nur immer wieder gemurmelt: ›Hier stimmt etwas nicht‹.«
    Jamie holte tief Luft und atmete dann kopfschüttelnd wieder aus.
    »Wahrscheinlich hatte es ja irgendetwas mit ihrem Verschwinden zu tun, ganz gleich, was es war. Denn wenn es nichts mit ihr und Duncan zu tun hatte…« Er verstummte, doch ich hatte keine Probleme, den Gedanken zu vollenden.
    »Dann hatte es auch nichts mit deiner Tante zu tun«, sagte ich. »Jamie –
hältst du es wirklich für möglich, dass Jocasta sie hat umbringen lassen?«
    Laut ausgesprochen hätte es lächerlich klingen müssen. Das Entsetzliche war, dass es das nicht tat.
    Jamie machte diese kleine, achselzuckende Geste, die anzeigte, dass ihm etwas großes Unwohlsein bereitete, so als sei ihm sein Rock zu eng.
    »Hätte sie ihr Augenlicht noch, würde ich es zumindest für möglich halten«, sagte er. »Von Hector betrogen zu werden – dem sie ja schon den Tod ihrer Töchter vorwarf. Ihre Töchter sind also tot, aber Phaedre lebt, Tag um Tag, eine konstante Erinnerung an einen Schlag ins Gesicht. Und dann erneut betrogen zu werden, durch Duncan, mit Hectors Tochter?«
    Er rieb sich die Nase. »Ich glaube, das ließe keine Frau mit Temperament … ungerührt.«
    »Ja«, sagte ich und malte mir aus, was ich wohl unter denselben Umständen fühlen würde. »Sicher. Aber ein Mord – und davon ist hier doch die Rede, oder? Könnte sie das Mädchen nicht einfach verkauft haben?«
    »Nein«, sagte er nachdenklich. »Das könnte sie nicht. Wir haben bei ihrer Hochzeit vertraglich festgelegt, dass ihr Geld ihr sicher ist – aber nicht ihr Besitz. Duncan ist der Besitzer von River Run – und von allem, was dazugehört.«
    »Phaedre eingeschlossen.« Ich fühlte mich hohl, und mir wurde übel.
    »Wie gesagt. Hätte sie ihr Augenlicht noch, würde mich dieser Gedanke gar nicht erstaunen. So jedoch …«
    »Ulysses«, sagte ich überzeugt, und er nickte zögernd. Ulysses ersetzte Jocasta nicht nur die Augen, sondern auch die Hände. Ich glaubte nicht, dass er Phaedre auf Befehl seiner Herrin umgebracht hätte – aber wenn Jocasta das Mädchen beispielsweise vergiftet hatte, war es durchaus möglich, dass Ulysses bei der Beseitigung der Leiche geholfen hatte.
    Ich hatte ein seltsames, unwirkliches Gefühl – selbst in Anbetracht aller Dinge, die ich über die MacKenzies wusste … in aller Seelenruhe darüber zu diskutieren, ob Jamies greise Tante jemanden ermordet haben könnte … und doch… ich kannte die MacKenzies.
    » Falls meine Tante überhaupt die Hand dabei im Spiel hatte«, sagte Jamie. »Duncan hat schließlich gesagt, sie waren diskret. Und es ist ja möglich, dass das Mädchen verschleppt worden ist – vielleicht von dem Mann, an den sich meine Tante aus Coigach erinnert. Vielleicht denkt er ja, dass Phaedre ihm zu dem Gold verhilft, nicht wahr?«
    Das war ein weniger trauriger Gedanke. Und er passte zu Phaedres Vorahnung – falls es das war -, die sich am selben Tag ereignet hatte, an dem der Mann aus Coigach hier gewesen war.
    »Dann können wir wohl nur für sie beten, das arme Ding«, sagte ich. »Ich gehe nicht davon aus, dass es einen Schutzpatron der Entführungsopfer gibt, oder?«

    »Der heilige Dagobert«, erwiderte er prompt, und ich gaffte ihn an.
    »Das hast du dir ausgedacht.«
    »Ganz und gar nicht«, sagte er würdevoll. »Die heilige Athelais ist auch eine – und vielleicht besser, wenn ich es mir überlege. Sie war eine junge Römerin, die von Kaiser Justinian verschleppt wurde, der sich an ihr vergreifen wollte, und sie gelobte Keuschheit. Aber sie ist entkommen und hat danach bei ihrem Onkel in Benevento

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