Ein Hauch von Schnee und Asche
zustieße.«
Sie erstarrte, und ihre Finger hielten mit der Arbeit inne.
»Warum sollte ihm denn etwas zustoßen?«, fragte sie und hob das Kinn.
Jamie erwiderte nicht sofort, sondern stand da und betrachtete sie, nicht ohne Mitgefühl. Dann beugte er sich über sie, so dass sie ihn dicht bei sich spüren konnte, sein Mund an ihrem Ohr.
»Ich weiß Bescheid, Tante Jocasta«, sagte er leise. »Und wenn du nicht möchtest, dass ich dieses Wissen mit jemandem teile… gehe ich davon aus, dass ich Duncan bei meiner Rückkehr in bester Gesundheit antreffen werde.«
Sie saß da wie zur Salzsäule erstarrt. Jamie richtete sich auf, wies mit dem Kinn zur Tür, und wir entfernten uns. Im Flur warf ich noch einen Blick zurück und sah sie unverändert wie eine Statue dasitzen. Ihr Gesicht war so weiß wie das Leinen in ihren Händen, und die kleinen Garnknäuel waren ihr vom Schoß gefallen und rollten über den gebohnerten Boden.
73
… und Trug
Nach Marsalis Abreise wurde die Whiskyherstellung schwieriger. Brianna, Mrs. Bug und ich hatten es mit vereinten Kräften geschafft, noch eine Fuhre Malz fertig zu bekommen, bevor das Wetter zu kalt und regnerisch wurde, doch es war knapp, und ich war sehr erleichtert, als wir die letzte gemälzte Gerste sicher in die Destille gefüllt hatten. Wenn sie erst einmal fermentierte, fiel sie in Jamies Verantwortungsbereich, da er es niemandem zutraute, Geschmack und Alkoholgehalt zu beurteilen.
Doch das Feuer unter der Destille musste exakt den richtigen Wärmegrad liefern, um die Fermentierung in Gang zu halten, ohne dass die Maische abstarb. Dies bedeutete, dass er jedes Mal tagelang neben der Destille lebte – und schlief -, bis der Prozess abgeschlossen war. Normalerweise brachte ich ihm sein Abendessen und leistete ihm Gesellschaft, bis es dunkel wurde, aber ohne ihn war es einsam im Bett, und ich war mehr als froh, als wir die letzten Tropfen des neuen Whiskys in Fässer abfüllten.
»Oh, das riecht gut.« Ich roch selig an der Innenseite eines leeren Fasses; es war eins der speziellen Fässer, die Jamie über einen von Lord Johns Seefahrerfreunden erworben hatte – innen angekohlt wie ein normales Whiskyfass, zuvor aber zur Lagerung von Sherry verwendet. Die milde Süße des Sherrys, vermischt mit einem Hauch von Holzkohle und dem scharfen Geruch des rohen Whiskys, reichte aus, um mir angenehm den Kopf zu vernebeln.
»Aye, es ist nur eine kleine Ausbeute, aber nicht schlecht«, pflichtete mir Jamie bei, der das Aroma einatmete wie ein Parfumkenner. Er hob den Kopf und betrachtete den Himmel; der Wind wurde zunehmend stärker, und dichte Wolken mit dunklen Bäuchen rasten drohend vorüber.
»Es sind nur die drei Fässer«, sagte er. »Wenn du meinst, du schaffst eins, Sassenach, nehme ich die anderen. Ich hätte sie lieber sicher verstaut, als sie nächste Woche aus einer Schneewehe auszugraben.«
Ein Dreißig-Liter-Fass bei tosendem Wind eine halbe Meile weit zu tragen oder zu rollen war kein Kinderspiel, aber er hatte Recht, was den Schnee
anging. Es war noch nicht kalt genug für Schnee, aber das würde sich bald ändern. Ich seufzte, nickte dann aber, und gemeinsam schafften wir es, die Fässer langsam hinauf bis zum Whiskyversteck zu befördern, das unter Felsen und zerzausten Weinranken verborgen lag.
Ich war wieder vollständig bei Kräften, doch trotzdem zitterte und zuckte jeder Muskel in meinem Körper, als wir fertig waren, und ich legte keinerlei Widerrede ein, als Jamie mich niedersitzen ließ, um mich auszuruhen, bevor wir den Heimweg antraten.
»Was hast du damit vor?«, fragte ich und deutete auf das Versteck. »Behalten oder verkaufen?«
Er wischte sich eine wehende Haarsträhne aus dem Gesicht, und ein Ansturm von fliegendem Staub und Laub ließ ihn blinzeln.
»Eins werde ich für die Frühjahrssaat verkaufen müssen. Eins werden wir behalten, um es reifen zu lassen – und ich glaube, für das dritte habe ich eine gute Verwendung. Falls Bobby Higgins noch einmal kommt, bevor es zu schneien anfängt, schicke ich ein halbes Dutzend Flaschen an Ashe, Harnett, Howe und ein paar andere – ein kleines Zeichen meiner ungebrochenen Hochachtung, aye?« Er grinste mich ironisch an.
»Nun, ich habe schon von schlechteren Vertrauensbeweisen gehört«, sagte ich belustigt. Es hatte ihn beträchtlichen Einsatz gekostet, sich die Gunst des Korrespondenzkomitees von North Carolina wieder zu erschleichen, doch mehrere Mitglieder beantworteten seine Briefe
Weitere Kostenlose Bücher