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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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begegnen? Wenn Jemmy älter ist, meine ich.«
    Sie war nicht mit der Angewohnheit groß geworden, sich in Momenten nervlicher Belastung zu bekreuzigen, wie es ihr Vater und ihr Vetter taten – doch jetzt tat sie es, und er musste lachen.

    »Ich mache keine Witze«, sagte sie und setzte sich gerade hin. »Es kommt nicht in Frage. Und wenn es dazu käme – wenn ich Stephen Bonnet je in der Nähe meines Kindes sehe, dann… nun, nächstes Mal ziele ich höher, das steht fest.«
    »Du bist fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass der Junge seinen Klassenkameraden etwas zu erzählen hat, nicht wahr?« Sein Tonfall war leicht und neckend, und sie entspannte sich ein wenig und hoffte, dass es ihr gelungen war, seine Zweifel in Bezug auf das, was sie Jemmy über seinen Vater erzählen würde, auszuräumen.
    »Okay. Aber er muss es früher oder später wissen. Ich möchte nicht, dass er es durch Zufall herausfindet.«
    »Du hast es doch auch nicht durch Zufall herausgefunden. Deine Mutter hat es dir erzählt.« Und sieh dir an, wo du jetzt bist. Diese Worte blieben unausgesprochen, doch in ihrem Kopf konnte sie sie deutlich hören, als er ihr jetzt einen langen, direkten Blick zuwarf.
    Hätte sie nicht den Zwang verspürt, in die Vergangenheit zu gehen, durch die Steine zu gehen, um ihren richtigen Vater zu suchen – wären sie jetzt alle nicht hier. Sie wären sicher im zwanzigsten Jahrhundert, vielleicht in Schottland, vielleicht in Amerika – aber an einem Ort, an dem keine Kinder an Durchfall oder plötzlichem Fieber starben.
    An einem Ort, an dem nicht hinter jedem Baum eine plötzliche Gefahr hockte und kein Krieg im Gebüsch lauerte. Einem Ort, an dem Rogers Stimme immer noch rein und kräftig sang.
    Aber vielleicht – nur vielleicht hätte sie Jemmy nicht.
    »Es tut mir Leid«, sagte sie erstickt. »Ich weiß, dass es meine Schuld ist – alles. Wenn ich nicht in die Vergangenheit gegangen wäre …« Sie streckte zögernd die Hand aus und berührte die unebene Narbe, die sich um seine Kehle zog. Er fasste ihre Hand und zog sie nach unten.
    »Himmel«, sagte er leise, »wenn es einen Ort gegeben hätte, an den ich hätte gehen können, um meine Eltern zu finden – einschließlich der Hölle -, Brianna, ich hätte es getan.« Er sah mit leuchtend grünen Augen auf und drückte ihr fest die Hand. »Wenn es irgendjemanden auf der Welt gibt, der das verstehen kann, Liebste, dann bin ich es.«
    Sie erwiderte den Druck seiner Hand mit beiden Händen. Die Erleichterung darüber, dass er ihr keine Vorwürfe machte, lockerte die Anspannung in ihrem Körper, doch die Trauer um das, was er – und sie – verloren hatte, füllte ihr Kehle und Brust wie ein Klumpen nasser Federn, und es schmerzte zu atmen.
    Jemmy regte sich, richtete sich blitzartig auf, dann sank er im Tiefschlaf wieder zurück, so dass sein Arm schlaff wie eine gekochte Nudel aus der Wiege hing. Bei seiner plötzlichen Bewegung war sie erstarrt, doch jetzt entspannte sie sich und versuchte, den Arm wieder in die Wiege zu stecken. Doch bevor sie dort anlangte, klopfte es an der Tür.

    Roger griff hastig mit einer Hand nach seinem Hemd, mit der anderen nach seinem Messer.
    »Wer ist da?«, rief sie mit klopfendem Herzen. Nach Anbruch der Dunkelheit bekam man hier keinen Besuch, es sei denn, im Notfall.
    »Ich bin’s, Miss Brianna«, sagte Lizzies Stimme durch das Holz. »Können wir bitte hereinkommen?« Sie klang aufgeregt, aber nicht alarmiert. Brianna wartete, bis Roger seine Blöße bedeckt hatte, dann hob sie den schweren Riegel.
    Ihr erster Gedanke war, dass Lizzie auch aufgeregt aussah; die Wangen der schmächtigen Dienstmagd waren gerötet wie Apfelbäckchen, und ihre Farbe war selbst auf der dunklen Eingangstreppe zu sehen.
    »Wir« waren sie selbst und die beiden Beardsleys, die sich kopfnickend verbeugten und sich murmelnd für die späte Stunde entschuldigten.
    »Das macht doch nichts«, sagte Brianna und sah sich automatisch nach einem Schultertuch um. Nicht nur, dass ihr Leinenhemd dünn und abgetragen war, es hatte zudem einen verräterischen Fleck auf der Vorderseite. »Äh, kommt doch herein!«
    Roger trat vor und begrüßte die unerwarteten Gäste. Dabei ignorierte er großzügig die Tatsache, dass er nichts als ein Hemd trug, und sie huschte hastig in die dunkle Ecke hinter ihrem Webstuhl und tastete nach dem alten Schultertuch, das sie dort aufbewahrte, um es sich bei der Arbeit um die Beine zu legen.
    Als sie sich darin eingewickelt

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