Ein Hauch von Schnee und Asche
zwar absolut nicht, dass sie da war, doch er hielt den Blick auf das Holz gerichtet, auf die helle Körnung der frisch gespaltenen Scheite, spürte den Widerstand, wenn er die Axtklinge herauszog und ertappte sich dabei, dass seine Gedanken zu seiner Unterhaltung mit Brianna zurückwanderten.
Frank Randall war seiner Frau also – vielleicht – gelegentlich untreu gewesen. Wenn er wirklich fair sein wollte, war sich Roger, der die Umstände dieses Falls kannte, nicht sicher, dass man ihm Vorwürfe machen konnte. Claire war spurlos verschwunden, und Frank war nichts anderes übrig geblieben,
als sie verzweifelt zu suchen, um sie zu trauern und dann schließlich sein Leben Stück für Stück wieder zusammenzusetzen und einen neuen Anfang zu machen. Woraufhin seine vermisste Frau wieder auftaucht, erschüttert, misshandelt – und schwanger von einem anderen.
Woraufhin Frank Randall sie – ob aus Ehrgefühl, aus Liebe oder schlichter … was? Neugier? – wieder aufgenommen hatte. Er erinnerte sich noch daran, wie Claire ihnen die Geschichte erzählt hatte, und es war klar, dass sie keinen besonderen Wert darauf gelegt hatte, wieder aufgenommen zu werden. Das musste auch Frank Randall verdammt klar gewesen sein.
Kein Wunder also, wenn seine Entrüstung und das Gefühl der Zurückweisung gelegentlich die Oberhand gewonnen hatten – kein Wunder ebenfalls, dass die Echos der geheimen Konflikte zwischen ihren Eltern auch bei Brianna angelangt waren wie seismische Störungen, die sich meilenweit durch Erde und Stein hindurch fortsetzen, Stöße einer Magmaquelle tief unter der Kruste.
Und kein Wunder, so fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, dass seine Freundschaft mit Amy McCallum sie so aus der Fassung gebracht hatte.
Ganz plötzlich wurde ihm klar, dass Malva Christie weinte. Lautlos, ohne ihr Gesicht zu bedecken. Tränen rannen ihr über die Wangen, und ihre Schultern bebten, doch sie biss sich fest auf die Unterlippe; sie machte kein Geräusch.
Er stellte die Axt hin und trat zu ihr. Legte ihr sanft den Arm um die Schultern und tätschelte ihr den Kopf.
»Hey«, sagte er leise. »Keine Sorge, aye? Es wird alles wieder gut.«
Sie schüttelte den Kopf, und die Tränen strömten über ihr Gesicht.
»Das geht nicht«, flüsterte sie. »Es geht nicht.«
Inmitten seines Mitleids mit ihr wurde sich Roger eines wachsenden Gefühls der Hoffnung bewusst. Jedes Widerstreben, ihre Verzweiflung auszunutzen, wurde von der Entschlossenheit verdrängt, der Ursache für ihren Kummer auf den Grund zu gehen. Hauptsächlich um Jamies und seiner Familie willen – aber auch um ihretwillen.
Doch er durfte sie nicht zu sehr bedrängen, sie nicht hetzen. Sie musste ihm vertrauen.
Also streichelte er sie tröstend, massierte ihr den Rücken, wie er es bei Jem tat, wenn dieser aus einem Albtraum aufwachte, sprach leise, beruhigende, bedeutungslose Worte und spürte, wie sie nachzugeben begann. Nachzugeben, wenn auch auf eine seltsam körperliche Weise, als blühte ihre Haut unter seiner Berührung plötzlich auf.
Seltsam und gleichzeitig merkwürdig vertraut. Es ging ihm dann und wann mit Brianna so, wenn er sich ihr in der Dunkelheit zuwandte, wenn sie keine Zeit zum Überlegen hatte und nur mit ihrem Körper auf ihn reagierte. Dieser Gedanke ließ ihn zusammenfahren, und er wich ein wenig zurück. Er hätte gern etwas zu Malva gesagt, doch der Klang von Schritten
unterbrach ihn, und als er aufblickte, sah er Allan Christie aus dem Wald auf sich zukommen, schnell und mit einem Gesicht wie Donnergrollen.
»Hände weg von ihr!«
Er richtete sich auf, und sein Herz hämmerte, als ihm plötzlich klar wurde, wie das hier aussehen musste.
»Was denkt Ihr Euch dabei, hier herumzuschleichen wie eine Ratte, die hinter einer Käserinde her ist?«, rief Allan. »Meint Ihr, nachdem sie geschändet ist, ist sie Freiwild für jeden Hurensohn, der Lust auf sie hat?«
»Ich bin hier, um ihr Rat anzubieten«, sagte Roger, so kühl er konnte. »Und Trost, wenn es möglich ist.«
»Oh, aye.« Allan Christies Gesicht war rot angelaufen, und das Haar stand ihm in Büscheln zu Berge wie bei einem angriffslustigen Igel. »Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln, wie? Ihr könnt Euch Euren Trost in den Hintern schieben, MacKenzie, und Euren gottverdammten Steifen gleich dazu.«
Allan hatte die Hände zu Fäusten geballt und bebte vor Wut.
»Ihr seid auch nicht besser als Euer durchtriebener Schwiegervater – oder vielleicht -«
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