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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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mir vorbei, und ein Stoffball landete vor meinem Fuß. Diesem folgte blitzartig ein sehr viel größerer Körper, und Rollo hechtete an mir vorbei, schnappte sich zielsicher den Ball und galoppierte so schnell davon, dass der Luftzug meine Röcke bewegte. Als ich erschrocken den Kopf hob, sah ich ihn auf Ian zuspringen, der auf leisen Sohlen in den Garten gekommen war.
    Er machte eine kleine, entschuldigende Geste, doch ich hockte mich auf die Fersen und lächelte ihm zu, während ich versuchte, die bösen Worte zu unterdrücken, die in mir rumorten.

    Offenbar hatte ich damit keinen großen Erfolg, denn ich sah, wie er die Stirn runzelte und mir zögernd ins Gesicht sah.
    »Wolltest du etwas, Ian?«, sagte ich knapp und gab die freundliche Fassade auf. »Wenn dein Hund einen meiner Bienenstöcke umstößt, mache ich einen Teppich aus ihm.«
    »Rollo!« Ian schnippte mit den Fingern in Rollos Richtung, und dieser machte einen eleganten Satz über die Reihe der Bienenstöcke am anderen Ende des Gartens, trabte zu seinem Herrn, ließ ihm den Ball vor die Füße fallen und blieb fröhlich hechelnd stehen, die gelben Wolfsaugen scheinbar interessiert auf mich geheftet.
    Ian hob den Ball auf, wandte sich um und schleuderte ihn zur offenen Gartentür hinaus. Rollo schoss hinterher wie der Schweif eines Kometen.
    »Ich wollte dich etwas fragen, Tante Claire«, sagte er und wandte sich wieder zu mir um. »Aber es kann warten.«
    »Nein, es ist schon gut.« Ich erhob mich umständlich und wies auf die kleine Bank, die Jamie in einer schattigen Ecke für mich gebaut hatte.
    »Also?« Ich setzte mich neben ihn und strich mir die Erdkrumen vom Rocksaum.
    »Mmpfm. Nun ja …« Er starrte auf seine knochigen Hände, die er über dem Knie verschränkt hatte. »Ich … äh …«
    »Du bist doch nicht wieder mit der Syphilis in Kontakt gekommen, oder?«, fragte ich, denn ich erinnerte mich noch lebhaft an meine letzte Unterredung mit einem peinlich berührten jungen Mann in diesem Garten. »Wenn es nämlich so ist, schwöre ich, dass ich Dr. Fentimans Spritze benutzen werde, und ich werde es nicht sanft tun. Du -«
    »Nein, nein!«, sagte er hastig. »Nein, natürlich nicht, Tante Claire. Es geht um – um Malva Christie.« Bei diesen Worten spannte er sich an, für den Fall, dass ich nach meinem Gartenmesser griff, aber ich holte nur tief Luft und atmete langsam wieder aus.
    »Was ist mit ihr?«, sagte ich um einen gleichmütigen Tonfall bemüht.
    »Nun ja … eigentlich nicht direkt um Malva, sondern eher um das, was sie gesagt hat – über Onkel Jamie.« Er brach ab und schluckte, und ich holte erneut Luft. Weil mich die ganze Situation selbst so aus der Fassung brachte, hatte ich kaum einen Gedanken daran verschwendet, welche Folgen sie für andere hatte. Doch Ian vergötterte Jamie, seit er ein kleiner Junge war; ich konnte mir gut vorstellen, dass die überall verbreiteten Andeutungen, dass Jamie seine Schwächen haben könnte, ihn zutiefst bestürzten.
    »Ian, du darfst dir keine Sorgen machen.« Ich legte ihm tröstend die Hand auf den Arm, auch wenn sie voller Erde war. »Es wird sich alles klären … irgendwie. So ist das immer.« Das stimmte – im Normalfall mit dem Maximum an Aufruhr und Katastrophen. Und falls Malvas Kind durch einen grausamen kosmischen Scherz mit rotem Haar zur Welt kam … Ich schloss einen Moment die Augen, weil mir mulmig wurde.

    »Aye, das nehme ich auch an«, sagte Ian, der extrem unsicher klang. »Es ist nur – was sie über Onkel Jamie sagen. Selbst seine eigenen Männer aus Ardsmuir, die es wirklich besser wissen sollten! Dass er anscheinend – nun, ich will es nicht wiederholen, Tante Claire – aber – ich kann es nicht ertragen, das zu hören!«
    Sein langes, gutmütiges Gesicht verzog sich kummervoll, und mir kam plötzlich der Gedanke, dass er womöglich selbst Zweifel hatte.
    »Ian«, sagte ich mit aller Entschlossenheit, die ich aufbringen konnte, »Malvas Kind kann nie und nimmer von Jamie sein. Das glaubst du doch, oder?«
    Er nickte langsam, wich aber meinem Blick aus.
    »Ja«, sagte er leise, und dann schluckte er krampfhaft. »Aber, Tante Claire … es könnte von mir sein.«
    Eine Biene war auf meinem Arm gelandet. Ich starrte sie an, sah die Adern in ihren gläsernen Flügeln, den gelben Pollenstaub, der an den Härchen ihrer Beine und ihres Bauchs klebte, das sanfte Pulsieren ihres Körpers, als sie atmete.
    »Oh, Ian«, sagte ich genauso leise, wie er selbst gesprochen

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