Ein Hauch von Schnee und Asche
bemerkte Jamie gerade so laut, dass es jeder hören konnte. Hiram, der offensichtlich im Begriff gewesen war, genau dasselbe zu sagen, warf ihm einen wütenden Blick zu, konnte ihm aber kaum widersprechen.
»Euch wird Gerechtigkeit zuteil werden, Mister Fraser!«, sagte Brown sehr laut. Er hob mit zusammengekniffenen Augen das Gesicht, und seine Miene war von böswilligem Triumph erfüllt. »Ich wünsche, Eure Frau vor Gericht zu bringen. Jeder Angeklagte hat ein Recht darauf, nicht wahr? Wenn sie unschuldig ist – wenn Ihr unschuldig seid – wie könnt Ihr das ablehnen?«
»Das ist gewiss ein Argument«, beschied Hiram ihn würdevoll. »Wenn Eure Frau dieses Verbrechen nicht begangen hat, hat sie nichts zu befürchten. Was sagt Ihr, Sir?«
»Ich sage, dass sie gar nicht lange genug leben wird, um vor Gericht zu erscheinen, wenn ich sie diesem Mann in die Hände gebe«, erwiderte Jamie aufgebracht. »Er gibt mir die Schuld am Tod seines Bruders – und einige der
Anwesenden wissen, was es damit auf sich hat!«, fügte er hinzu und wies mit dem Kinn auf die Menge.
Hier und dort nickten ein paar Köpfe – doch es waren nur wenige. Es hatten nicht mehr als ein Dutzend seiner Männer aus Ardsmuir an der Expedition zu meiner Rettung teilgenommen; dank des darauf folgenden Geredes würden viele der neuen Pächter lediglich gehört haben, dass man mich entführt und auf skandalöse Weise misshandelt hatte und dass es meinetwegen Tote gegeben hatte. Ich war mir der vorherrschenden Meinung wohl bewusst, dass jedem Opfer eines Sexualverbrechens eine obskure Schuld anhaftete – es sei denn, die Frau kam ums Leben, in welchem Fall sie automatisch zum Engel ohne Makel avancierte.
»Er wird sie auf der Stelle abschlachten, um sich an mir zu rächen«, sagte Jamie, diesmal lauter. Er wechselte abrupt ins Gälische und zeigte auf Brown. »Seht euch den Mann doch an, dann erkennt ihr, dass ihm die Wahrheit ins Gesicht geschrieben steht! Er hat mit der Gerechtigkeit genauso wenig am Hut wie mit der Ehre, und die würde er nicht einmal am Geruch ihres Hinterns erkennen!«
Das ließ ein paar von ihnen überrascht auflachen. Brown sah sich verwirrt um, weil er gern gewusst hätte, worüber sie lachten, was noch mehr von ihnen zum Lachen brachte.
Die Stimmung der Menge war immer noch gegen uns, aber sie standen auch noch nicht hinter Brown – der schließlich ein Fremder war. Hiram legte nachdenklich die schmale Stirn in Falten.
»Was würdet Ihr als Garantie für die Sicherheit der Frau anbieten?«, fragte er Brown.
»Ein Dutzend Fässer Bier und drei Dutzend meiner besten Felle«, erwiderte Brown prompt. »Vier Dutzend!« Die Gier glänzte in seinen Augen, und er verhinderte nur mit Mühe und Not, dass seine Stimme vor Lust zu zittern begann, so sehr brannte er darauf, mich in seine Gewalt zu bekommen. Ich kam plötzlich zu der unangenehmen Überzeugung, dass er zwar letztlich auf meinen Tod abzielte, dass er aber nicht unbedingt an einen schnellen Tod dachte, es sei denn, die Umstände verlangten es.
»Es wäre Euch viel mehr wert als das, a breugaire , Euch durch ihren Tod an mir zu rächen«, sagte Jamie gleichmütig.
Hirams Blick pendelte vom einen zum anderen, unsicher, was er tun sollte. Ich blickte hinaus in die Menge, ohne mir etwas anmerken zu lassen. Das war allerdings gar nicht schwierig; ich fühlte mich vollständig taub.
Ich sah ein paar freundliche Gesichter, die nervös auf Jamie gerichtet waren, um herauszufinden, was sie tun sollten. Kenny und seine Brüder Murdo und Evan standen dicht beieinander, die Hände an den Dolchen, die Mienen grimmig. Ich wusste nicht, ob sich Richard Brown genau diesen Zeitpunkt ausgesucht hatte oder ob er einfach nur Glück gehabt hatte. Ian war fort, auf der Jagd mit seinen Cherokee-Freunden. Arch war ebenfalls
fort, sonst wäre er längst aufgetaucht – Arch und seine Axt wären jetzt besonders hilfreich gewesen, dachte ich.
Fergus und Marsali waren fort – auch sie hätten helfen können, die Stimmung zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Doch am schlimmsten war, dass Roger fehlte. Er allein hatte die Presbyterianer seit dem Tag, an dem Malva ihre Anschuldigungen erhob, mehr oder minder unter Kontrolle gehalten oder zumindest den Deckel auf dem simmernden Topf des Geredes und der Feindseligkeit gehalten. Möglich, dass er sie jetzt ebenso eingeschüchtert hätte – wenn er hier gewesen wäre.
Die Unterhaltung hatte sich von großem Drama zu einer
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