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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ausmalen, wie wir in aller Behaglichkeit beim Essen an unserem Herdfeuer saßen. Oder besser noch, sollten sie sich ruhig ausmalen, wie wir an einem lodernden Feuer saßen und Blei schmolzen, um Kugeln zu gießen.
    In dieser trotzigen Stimmung ging ich wieder nach oben, bewaffnet mit meinem Verbandsmaterial, einem spontan zusammengestellten Abendessen und einer großen Flasche Schwarzbier. Doch ich konnte das Echo meiner Schritte auf der Treppe nicht überhören, genauso wenig wie die Stille, die sich hinter mir sofort wieder über das Haus legte, wie Wasser, das sich wieder schließt, wenn man es verlässt.
    Ich hörte einen Schuss, als ich mich der Oberkante der Treppe näherte, und nahm die letzten Stufen so schnell, dass ich stolperte und kopfüber hingefallen wäre, wenn ich nicht gegen die Wand getaumelt wäre.

    Jamie tauchte mit erschrockenem Gesicht aus Mr. Wemyss’ Zimmer auf, die Vogelflinte in der Hand.
    »Hast du dir etwas getan, Sassenach?«
    »Nein«, antwortete ich gereizt und wischte mir mit der Schürze etwas übergelaufene Suppe von der Hand. »Worauf in Gottes Namen hast du geschossen?«
    »Nichts. Ich wollte ihnen nur klar machen, dass die Rückseite des Hauses auch nicht sicherer ist als die Vorderseite, falls sie vorhaben, sich auf diesem Weg anzuschleichen. Nur, damit sie wirklich bis zum Anbruch der Nacht warten.«
    Ich verband ihm den Finger, was ein wenig zu helfen schien. Wie ich gehofft hatte, half das Essen noch mehr. Er aß wie ein Wolf, und zu meiner Überraschung tat ich das ebenfalls.
    »Die Verurteilten aßen mit Appetit«, merkte ich an und pickte ein paar Brot- und Käsekrümel auf. »Ich hatte immer gedacht, Lebensgefahr würde die Leute zu nervös zum Essen machen, aber anscheinend nicht.«
    Er schüttelte den Kopf, trank einen Schluck Bier und gab mir die Flasche.
    »Ein Freund hat mir einmal gesagt, dass der Körper kein Gewissen hat. Ich weiß nicht, ob das in jeder Beziehung stimmt – aber es ist wahr, dass der Körper die Möglichkeit der Nichtexistenz schlichtweg ignoriert. Und wenn man existiert – nun, dann braucht man etwas zu essen, so einfach ist das.« Er grinste mich schief an und riss das letzte süße Brötchen in zwei Hälften, von denen er mir eine abgab.
    Ich nahm sie an, aß sie aber nicht sofort. Draußen war nichts zu hören außer dem Zirpen der Zikaden, obwohl eine drückende Schwüle in der Luft lag, die oft Regen verheißt. Es war noch zu früh im Sommer für ein Gewitter, aber man konnte ja hoffen.
    »Du hast auch daran gedacht, oder?«, sagte ich leise.
    Er tat erst gar nicht so, als verstünde er mich nicht.
    »Nun ja, es ist der einundzwanzigste«, sagte er.
    »Es ist Juni , zum Kuckuck! Und außerdem das falsche Jahr. In der Zeitung stand Januar 1776!« Ich war auf absurde Weise entrüstet, als hätte man mich irgendwie bemogelt.
    Er fand das lustig.
    »Ich bin selbst einmal Drucker gewesen, Sassenach«, sagte er und lachte mit vollem Mund. »Du glaubst besser nicht alles, was in der Zeitung steht, aye?«
    Als ich erneut hinausspähte, waren nur wenige der Männer unter der Kastanie zu sehen. Einer von ihnen sah meine Bewegung; er winkte langsam mit dem Arm – dann fuhr er sich mit der Handkante flach über die Kehle.
    Die Sonne stand jetzt dicht über den Baumwipfeln; etwa noch zwei Stunden, bis es dunkel wurde. Aber zwei Stunden mussten Mrs. Bug doch reichen, um Hilfe zu holen – vorausgesetzt, sie hatte jemanden gefunden, der
kommen konnte. Es war möglich, dass Arch in Cross Creek war – er reiste einmal im Monat dorthin -, dass Kenny auf der Jagd war. Und was die neueren Pächter anging … jetzt, da Roger nicht da war, um sie zur Ordnung zu rufen, machten sie keinen Hehl mehr aus ihrem Argwohn und ihrer Abneigung mir gegenüber. Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass sie zwar kommen würden, wenn man sie rief – aber nur, um Beifall zu klatschen, während man mich davonschleppte.
    Und wenn jemand kam – was dann? Ich war zwar nicht besonders scharf darauf, weggeschleppt zu werden, und erst recht nicht darauf, erschossen zu werden oder in der Asche meines Hauses zu verbrennen – aber ich wollte ebenfalls nicht, dass jemand anders versuchte, es zu verhindern, und dabei umkam.
    »Geh vom Fenster weg, Sassenach«, mahnte Jamie. Er hielt mir die Hand hin, und ich trat zu ihm und setzte mich neben ihn auf das Bett. Auf einmal fühlte ich mich erschöpft. Das Adrenalin des Notfalls war verbrannt, und meine Muskeln fühlten sich an wie in der

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