Ein Hauch von Schnee und Asche
bürstete, und drehte mich auf meinem Hocker zu ihm um.
»Hiram ist hier«, sagte er zu mir. »Ich höre seine Stimme. Das ist gut.«
»Wenn du das sagst«, meinte ich skeptisch, während ich mich an Hirams Bemerkungen letzte Woche in der Kirche erinnerte – kaum verhüllte Anklagen, die gegen uns gerichtet waren. Roger hatte nichts davon gesagt, Amy McCallum hatte es mir erzählt.
Jamie wandte mir den Kopf zu, um mich anzusehen, und als er jetzt lächelte, legte sich ein seliger Ausdruck auf sein Gesicht.
»Du bist so schön, Sassenach«, sagte er, als sei er überrascht. »Doch aye, es ist gut. Ganz gleich, was er denkt, er würde nicht zulassen, dass uns Brown da unten hängt oder das Haus in Brand steckt, um uns ins Freie zu treiben.«
Draußen erschollen noch mehr Stimmen; die Menge wuchs rapide.
»Mr. Fraser!«
Er holte tief Luft, nahm die Kerze vom Tisch und öffnete den Fensterladen ganz. Dabei hielt er sich die Kerze vor das Gesicht, so dass sie ihn sehen konnten.
Es war jetzt fast vollständig dunkel, doch mehrere Leute trugen Fackeln, was mich beängstigend an den Pöbel erinnerte, der sich näherte, um Frankensteins Monster zu verbrennen – es mir aber immerhin ermöglichte, die Gesichter auf dem Hof auszumachen. Es standen mindestens dreißig Männer – und nicht wenige Frauen – dort, zusätzlich zu Richard Brown und seinen Schlägern. Hiram Crombie war tatsächlich gekommen; er stand neben Richard Brown und sah aus wie eine Gestalt aus dem Alten Testament.
»Wir müssen Euch bitten, herunterzukommen, Mr. Fraser«, rief er. »Und Eure Frau – wenn Ihr so freundlich wärt.«
Ich erblickte Mrs. Bugs rundliche, unübersehbar schreckenerfüllte Gestalt. Ihr Gesicht war tränenüberströmt. Dann schloss Jamie sacht die Fensterläden und bot mir seinen Arm an.
Jamie hatte sowohl seinen Dolch als auch sein Schwert dabei, und er hatte sich nicht umgezogen. Er stand auf der Veranda, voll blutiger Kampfspuren, sein ganzes Auftreten eine einzige Warnung, uns ja nicht anzurühren.
»Meine Frau bekommt Ihr nur über meine Leiche«, sagte er und erhob seine kräftige Stimme, so dass er auf der ganzen Lichtung zu hören war. Ich fürchtete sehr, dass das stimmte. Bis jetzt hatte er Recht damit gehabt, dass Hiram keine Lynchjustiz dulden würde, doch es war klar, dass die öffentliche Meinung nicht zu unseren Gunsten stand.
»Die Zauberinnen sollt ihr nicht am Leben lassen!«, rief jemand aus den hinteren Reihen der Menge, und ein Stein pfiff durch die Luft und prallte mit einem scharfen Geräusch wie ein Gewehrschuss von der Fassade ab. Er schlug keine dreißig Zentimeter neben meinem Kopf ein, und ich zuckte zusammen, bedauerte dies aber sofort.
Aufgebrachtes Gemurmel hatte sich erhoben, als Jamie die Tür öffnete,
und der Beinahetreffer ermunterte sie offensichtlich. »Mörder!« und »Herzlos! Herzlos!« riefen sie laut und dazu eine Reihe gälischer Beleidigungen, die ich erst gar nicht zu verstehen versuchte.
»Wenn sie es nicht getan hat, a breugaire , wer dann?«, brüllte jemand.
Der Mann, dem Jamie mit dem Dolch das Gesicht aufgeschlitzt hatte, stand in der vorderen Reihe; die Wunde klaffte offen und nässte, und sein Gesicht war eine Maske aus getrocknetem Blut.
»Wenn sie’s nicht war, ist er’s gewesen!«, rief er und wies auf Jamie. » Ear-siûrsachd!« Alter Lustmolch!
Hasserfüllter Beifall erscholl, und ich sah, wie Jamie das Gewicht verlagerte und die Hand an sein Schwert legte, bereit, es zu ziehen, wenn sie ihn angriffen.
»Seid still!« Hirams Stimme war ziemlich dünn, aber gleichzeitig durchdringend. »Seid still, sage ich!« Er schob Brown beiseite und kam gesetzten Schrittes die Stufen herauf. Oben angelangt, warf er mir einen angewiderten Blick zu, wandte sich dann aber zur Menge.
»Gerechtigkeit!«, brüllte einer von Browns Männern, bevor er weiterreden konnte. »Wir verlangen Gerechtigkeit!«
»Aye, das tun wir«, rief Hiram zurück. »Und wir werden auch Gerechtigkeit bekommen, für das arme geschändete Mädchen und sein ungeborenes Kind!«
Ein zufriedenes Knurren begrüßte diese Worte, und mir lief eisiger Schrecken über die Beine, so dass ich schon fürchtete, dass meine Knie nachgeben würden.
»Gerechtigkeit! Gerechtigkeit!« Mehrere Leute fielen jetzt in den Sprechgesang ein, doch Hiram gebot ihnen Einhalt, indem er beide Hände hob, als sei er der verflixte Moses, der das Rote Meer teilte.
» Die Gerechtigkeit ist mein , spricht der Herr«,
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