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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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verschaffte. Und dennoch war ich schockiert, als mich der erste Stein am Oberschenkel traf.

    Wir befanden uns ein Stück südlich von Hillsboro. Das Wetter blieb feucht, die Straßen waren schlammig und das Vorankommen schwierig. Ich glaube, dass Richard Brown sehr glücklich gewesen wäre, uns dem Sheriff von Rowan County zu übergeben – wäre eine solche Person greifbar gewesen. Das Amt, so informierte man ihn, war derzeit nicht besetzt, da der letzte Inhaber eines Nachts überstürzt seine Zelte abgebrochen hatte und sich noch niemand gefunden hatte, der bereit war, an seine Stelle zu treten.
    Politische Gründe, so verstand ich es, da der letzte Sheriff die Unabhängigkeit befürwortet hatte, während die Mehrheit der Einwohner des Distrikts es immer noch mit der Loyalität hielt. Ich erfuhr zwar nichts Genaues über das Ereignis, das die hastige Abreise des letzten Sheriffs ausgelöst hatte, doch es verwandelte die Wirtshäuser und Kneipen rings um Hillsboro in summende Hornissennester.
    Das Berufungsgericht, so unterrichtete man Brown, hatte seine Zusammenkünfte vor einigen Monaten eingestellt, da die Richter, die ihm angehörten, es für zu gefährlich hielten, in der gegenwärtigen unruhigen Lage in Erscheinung zu treten. Der einzige Friedensrichter, den er auftreiben konnte, empfand ähnlich und lehnte es geradeheraus ab, uns in Gewahrsam zu nehmen. Er teilte Brown mit, sein Leben sei ihm zu kostbar, als dass er sich im Moment in irgendetwas verwickeln ließe, das auch nur entfernt kontrovers war.
    »Aber es hat doch gar nichts mit Politik zu tun!«, hatte Brown ihm frustriert zugerufen. »Es ist Mord, zum Kuckuck – hinterlistiger Mord!«
    »In diesen Tagen ist alles und jedes politisch, Sir«, hatte der Friedensrichter, ein gewisser Harvey Mickelgrass, ihn unter traurigem Kopfschütteln unterrichtet. »Ich würde mich ja nicht einmal so weit aus dem Fenster lehnen, einen Fall von Trunkenheit und Pöbelei zu verhandeln, weil ich Angst haben müsste, dass mir das Haus über dem Kopf abgerissen wird und man meine Frau zur Witwe macht. Der Sheriff hat versucht, sein Amt zu verkaufen, konnte aber niemanden finden, der bereit war, es zu erwerben. Nein, Sir – Ihr werdet anderswo hingehen müssen.«
    Brown wollte uns auf keinen Fall nach Cross Creek oder Campbelton bringen, wo Jocasta Cameron großen Einfluss hatte und der örtliche Friedensrichter ihr guter Freund Farquard Campbell war. Und so zogen wir nach Süden, Richtung Wilmington.
    Browns Männer waren alles andere als erbaut; sie waren davon ausgegangen, uns einfach zu lynchen, unser Haus in Brand zu stecken und vielleicht noch ein bisschen zu plündern – diesen ausgedehnten, mühseligen Marsch von Ort zu Ort hatten sie nicht erwartet. Ihre Stimmung sank noch mehr, als Ezra, der sich vom Fieber benommen an sein Pferd geklammert hatte, plötzlich auf die Straße stürzte und tot aufgelesen wurde.
    Ich fragte nicht, ob ich die Leiche untersuchen durfte – sie hätten es mir sowieso nicht erlaubt -, doch seinem schlaffen Aussehen nach vermutete
ich, dass er einfach das Bewusstsein verloren hatte, vom Pferd gekippt war und sich den Hals gebrochen hatte.
    Doch nicht wenige der anderen warfen mir nach diesem Ereignis Blicke voll unverhohlener Angst zu, und ihre Begeisterung für das Unterfangen schwand sichtlich.
    Doch Richard Brown war nicht davon abzubringen; ich war mir sicher, dass er uns schon längst ohne Gnade erschossen hätte, wenn Tom Christie nicht gewesen wäre, schweigsam und grau wie der Morgennebel auf den Straßen. Er sagte wenig und nur dann, wenn es notwendig war. Ich hätte geglaubt, dass er sich mechanisch bewegte, im tauben Nebel der Trauer – hätte ich mich nicht eines Abends, als wir am Straßenrand kampierten, umgedreht und seine Augen mit einem Ausdruck solch nackter Seelenpein auf mich gerichtet gesehen, dass ich den Blick hastig abwandte – und feststellte, dass Jamie, der an meiner Seite saß, Tom Christie mit ausgesprochen nachdenklicher Miene betrachtete.
    Meistens jedoch hielt er sein Gesicht – oder das, was im Schutz seines Lederschlapphuts davon zu sehen war – von jedem Ausdruck frei. Und Richard Brown, der durch Christies Gegenwart daran gehindert wurde, uns eigenhändig etwas anzutun, nutzte jede Gelegenheit, um seine Version der Mär von Malvas Tod zu verbreiten – möglicherweise ja genauso, um Tom Christie damit zu plagen, dass er sie wieder und wieder anhören musste, wie um ihrer Wirkung auf unseren Ruf

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