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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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zurückkehren; dies zu tun würde bedeuten, sofort wieder in derselben Patsche zu sitzen.
    Er seufzte, dann stockte ihm der Atem, und er atmete vorsichtig aus. Er glaubte zwar nicht, dass seine Rippen gebrochen waren, doch sie schmerzten.
    »Du hast doch sicher etwas Salbe, oder?«, sagte er und wies kopfnickend auf die Tasche mit ihren Arzneien.
    »Ja, natürlich.« Sie schluckte ihren Käsebissen herunter und streckte die Hand nach der Tasche aus. »Ich reibe dir etwas auf die Schürfwunde an deinem Kopf.«

    Er ließ sie das tun, bestand dann aber darauf, ihr seinerseits die Hand einzureiben. Sie protestierte und beharrte darauf, dass ihr nichts fehlte, dass sie nichts dergleichen brauchte und sie die Salbe lieber für spätere Notfälle aufsparen sollten – und doch ließ sie es geschehen, dass er ihre Hand nahm und ihr die süßlich duftende Creme in die Knöchel einrieb, die kleinen, zarten Knochen ihrer Hand hart unter seinen Fingern.
    Sie hasste es wie die Pest, auch nur irgendwie hilflos zu sein – doch ihre Rüstung aus rechtschaffener Wut wurde langsam dünn. Sie trug zwar vor Brown und dem Rest eine tapfere Miene zur Schau, doch er wusste, dass sie Angst hatte. Und das nicht ohne Grund.
    Brown war rastlos und kam nicht zur Ruhe. Er bewegte sich hin und her, redete wahllos mit dem einen oder anderen Mann, prüfte unnötigerweise die angebundenen Pferde, goss sich einen Becher Zichorienkaffee ein und hielt ihn fest, ohne ihn zu trinken, bis er kalt wurde, um ihn dann ins Gras zu schütten. Und die ganze Zeit wanderte sein unruhiger Blick immer wieder zu ihnen zurück.
    Browns Verhalten war voreilig, ungestüm und unausgegoren. Doch ein Dummkopf war er nicht, dachte Jamie. Er hatte eindeutig begriffen, dass seine Strategie, skandalöse Gerüchte über seine Gefangenen zu verbreiten, um sie zu gefährden, ernstliche Schwachpunkte hatte, solange er selbst gezwungen war, sich in der unmittelbaren Nähe besagter Gefangener aufzuhalten.
    Nachdem sie ihre einfache Mahlzeit beendet hatten, legte er sich vorsichtig hin, und Claire schmiegte sich Trost suchend mit dem Rücken an ihn.
    Faustkämpfe waren kräftezehrend, und das Gleiche galt für die Angst; Claire war innerhalb von Sekunden eingeschlafen. Jamie spürte den Sog des Schlafes, wollte sich ihm aber noch nicht ergeben. Stattdessen beschäftigte er sich damit, einige der Gedichte zu rezitieren, die er von Brianna kannte – er hatte eine Vorliebe für die Ballade über den Silberschmied in Boston, der nach Lexington geritten war, um die Leute zu warnen; das war ein gelungenes Gedicht.
    Die Weggemeinschaft begann, sich für die Nacht niederzulassen. Brown, der nach wie vor zappelig war, saß da und starrte finster zu Boden, dann sprang er auf, um hin und her zu laufen. Christie dagegen hatte sich kaum geregt, auch wenn er keine Anstalten machte, zu Bett zu gehen. Er saß auf einem Felsbrocken und hatte sein Abendessen kaum angerührt.
    Neben Christies Schuh bewegte sich etwas; eine winzige Maus, die Scheinangriffe auf den vernachlässigten, mit Beute gefüllten Teller auf dem Boden unternahm.
    Auf jene vage Weise, auf die man etwas bewusst merkt, was man eigentlich schon seit einiger Zeit weiß, hatte Jamie vor ein paar Tagen begriffen, dass Tom Christie seine Frau liebte.
    »Armer Teufel«, dachte er. Christie konnte doch gewiss nicht glauben,
dass Claire etwas mit dem Tod seiner Tochter zu tun gehabt hatte; sonst wäre er ja wohl kaum hier. Doch glaubte er, dass Jamie...?
    Er lag im Schutz der Dunkelheit und sah zu, wie das Feuer über Christies eingefallene Gesichtszüge hinwegspielte. Christies Augen waren halb geschlossen und verrieten nicht das Geringste über seine Gedanken. Es gab Menschen, die man wie Bücher lesen konnte; Tom Christie gehörte nicht zu ihnen. Doch wenn er je einen Mann gesehen hatte, der sich vor seinen Augen verzehrte...
    War es nur das Schicksal seiner Tochter – oder auch die verzweifelte Sehnsucht nach einer Frau? Er hatte diese Not schon öfter beobachtet, die an den Seelen nagte, und er selbst kannte sie zur Genüge. Oder glaubte Christie doch, dass Claire Malva umgebracht oder irgendwie die Hand im Spiel gehabt hatte? Das würde den aufrechtesten Mann in eine Zwickmühle bringen.
    Die Sehnsucht nach einer Frau … dieser Gedanke holte ihn in die Gegenwart zurück, und damit zu dem Bewusstsein, dass die Geräusche, nach denen er im Wald gehorcht hatte, jetzt zu hören waren. Er wusste schon seit zwei Tagen, dass ihnen

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