Ein Hauch von Schnee und Asche
willen.
Jedenfalls hätte es mich nicht überraschen dürfen, als sie uns in einem kleinen, namenlosen Weiler südlich von Hillsboro steinigten – doch das tat es. Ein kleiner Junge hatte uns auf der Straße gesehen und uns im Vorüberreiten angestarrt – und war dann wie ein Fuchs verschwunden und mit der Neuigkeit eine Böschung hinuntergerannt. Und zehn Minuten später ritten wir um eine Straßenbiegung in eine Salve von Steinen und Schreien hinein.
Einer traf meine Stute an der Schulter, und sie scheute heftig. Ich blieb zwar mit Mühe und Not im Sattel, verlor aber das Gleichgewicht; ein anderer traf mich mitten vor die Brust, so dass ich keine Luft mehr bekam, und als ein dritter schmerzhaft von meinem Kopf abprallte, konnte ich die Zügel nicht mehr halten, und mein Pferd schlug nach hinten aus und drehte sich in Panik auf der Stelle. Ich flog herunter und landete mit einem markerschütternden Knall auf der Straße.
Ich hätte Todesangst haben müssen; in Wirklichkeit war ich außer mir vor Wut. Der Stein, der mich am Kopf getroffen hatte, war – dank meiner dichten Haare und der Haube, die ich trug – abgeprallt, jedoch mit dem ärgerlichen Brennen einer Ohrfeige, nicht dem Schmerz eines echten Treffers. Ich war im Nu wieder auf den Beinen und stolperte, entdeckte aber über mir auf der Böschung einen Jungen, der triumphierend johlte und tanzte. Ich tat einen Satz, bekam ihn am Fuß zu fassen und zog.
Er schrie auf, rutschte aus und fiel auf mich. Wir landeten zusammen auf
dem Boden und wälzten uns in einem Gewirr aus Röcken und Umhangstoff. Ich war älter, schwerer und außer mir vor Raserei. Die ganze Angst, das Elend und die Unsicherheit der letzten Wochen kochten in mir hoch, und ich boxte ihm zweimal mit aller Kraft in sein grinsendes Gesicht. Ich spürte, wie in meiner Hand etwas knackte, und ein Schmerz durchfuhr meinen Arm.
Er wand sich brüllend, um mir zu entkommen – er war kleiner als ich, aber die Panik verlieh ihm Kraft. Ich hielt ihn verzweifelt fest, bekam seine Haare zu fassen – er hieb rudernd nach mir, schlug mir die Haube vom Kopf, schob eine Hand in mein Haar und zerrte fest daran.
Der Schmerz verlieh meiner Wut neuen Zündstoff, und ich rammte ihn mit meinem Knie, ganz gleich, an welcher Stelle, noch einmal, und noch einmal zielte ich blind nach seinen Weichteilen. Sein Mund öffnete sich zu einem tonlosen »O«, und seine Augen traten vor; seine Finger entspannten sich und ließen meine Haare los, und ich stellte mich über ihn und schlug auf ihn ein, so fest ich konnte.
Ein großer Stein traf mich so fest an der Schulter, dass sie taub wurde, und der Aufprall warf mich zur Seite. Ich versuchte, ihn noch einmal zu schlagen, konnte aber meinen Arm nicht mehr heben. Er wand sich keuchend und schluchzend aus meinem Umhang und kroch mit blutender Nase auf allen vieren davon. Ich fuhr auf den Knien herum, um ihm nachzusehen, und blickte direkt in die Augen eines jungen Mannes, dessen konzentriertes Gesicht vor Aufregung glühte und der seinen Stein schon bereithielt.
Er traf mich am Wangenknochen; ich schwankte, und alles verschwamm mir vor den Augen. Dann traf mich etwas sehr Großes von hinten, und ich fand mich flach mit dem Gesicht auf dem Boden wieder, auf dem mich das Gewicht eines Körpers festhielt. Es war Jamie; das erkannte ich an seinem atemlosen »Mutter Gottes«. Sein Körper zuckte, als ihn die Steine trafen; ich konnte das entsetzliche Geräusch hören, mit dem sie auf seine Haut klatschten.
Alles brüllte. Ich hörte Tom Christies heisere Stimme, dann wurde ein einzelner Schuss abgefeuert. Noch mehr Gebrüll, aber in einem anderen Ton. Ein oder zwei leise Geräusche, als ringsum Steine auf den Boden fielen, ein letztes Grunzen von Jamie, als ihn einer davon traf.
Wir blieben noch eine Minute flach gedrückt liegen, und ich wurde mir der unangenehm stacheligen Pflanze bewusst, die ich unter meiner Wange zerdrückte und deren Duft mir scharf und bitter in die Nase stieg.
Dann setzte sich Jamie langsam auf und holte stockend Luft. Auch ich erhob mich, auf meinen wackeligen Arm gestützt, so dass ich fast wieder hingefallen wäre. Meine Wange war geschwollen, und meine Hand und meine Schulter pochten, doch darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern.
»Bist du verletzt?« Jamie hatte sich halb erhoben und sich dann plötzlich wieder hingesetzt. Er war kreidebleich, und aus einer Wunde in seiner Kopfhaut
lief ihm Blut über die Wange, doch er nickte, eine Hand
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