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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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erschauerte. Ich war fast genauso blass wie sie und hatte dunkle Ringe unter den Augen, und mein Haar … nun, es war beinahe sauber, aber mehr war dem nicht hinzuzufügen.
    »Man sollte mich zur Ader lassen«, proklamierte Mrs. Martin. »Das ist die angebrachte Behandlung bei Völlerei; das sagt der gute Dr. Sibelius. Drei oder vier Unzen etwa, gefolgt von Schwarztinktur. Dr. Sibelius sagt, damit erzielt er gute Erfolge.«
    Sie trat zu einem Sessel und ließ sich darin nieder, so dass sich ihr Bauch unter ihrem Morgenmantel aufwölbte. Sie schob ihren Ärmel hoch und streckte mir träge den Arm hin. »In der linken oberen Schublade sind eine Aderlassklinge und eine Schale, Mrs. Fraser. Wenn Ihr so freundlich wärt?«
    Der bloße Gedanke, so kurz nach dem Aufstehen jemanden zur Ader zu lassen, reichte aus, um bei mir Brechreiz auszulösen. Und was Dr. Sibelius’ Schwarztinktur anging, das war Laudanum – eine alkoholische Opiumtinktur und nicht mein Mittel der Wahl bei Schwangeren.
    Die folgende heftige Diskussion der Vorzüge des Aderlasses – das erwartungsfrohe Glänzen in ihren Augen brachte mich auf den Gedanken, dass sie in Wirklichkeit auf den Nervenkitzel aus war, sich von einer Mörderin die Ader öffnen zu lassen – wurde durch Mr. Webbs unangemeldetes Eintreten unterbrochen.
    »Störe ich Euch, Ma’am? Bitte um Verzeihung.« Er verbeugte sich oberflächlich
vor Mrs. Martin, dann wandte er sich mir zu. »Ihr da – setzt Eure Haube auf und kommt mit mir.«
    Ich folgte seiner Anweisung, ohne zu protestieren, und ließ Mrs. Martin zu ihrer großen Empörung unperforiert zurück.
    Diesmal führte mich Webb die auf Hochglanz polierte Vordertreppe hinunter und brachte mich in ein großes, elegantes, mit Büchern gesäumtes Zimmer. Der Gouverneur, der jetzt standesgemäß seine Perücke trug und gepudert und elegant gekleidet war, saß hinter einem Tisch, der mit Papieren, Zetteln, verstreuten Gänsekielen, Löschpapier, Sandstreuern, Siegelwachs und dem restlichen Handwerkszeug eines Bürokraten aus dem achtzehnten Jahrhundert übersät war. Er sah erhitzt, gereizt und genau so indigniert aus wie seine Frau.
    »Was denn, Webb?«, sagte er und warf mir einen finsteren Blick zu. »Ich brauche einen Sekretär, und Ihr bringt mir eine Hebamme?«
    »Sie ist eine Urkundenfälscherin«, sagte Webb unverblümt. Das ließ jede weitere Beschwerde des Gouverneurs verstummen. Er hielt mit leicht geöffnetem Mund inne und sah mich stirnrunzelnd an.
    »Oh«, sagte er in ganz anderem Ton. »Wirklich.«
    »Der Urkundenfälschung angeklagt «, vollendete ich höflich. »Man hat mir nämlich noch keinen Prozess gemacht, geschweige denn, mich verurteilt.«
    Beim Klang meines gepflegten Akzents zog der Gouverneur die Augenbrauen hoch.
    »Wirklich«, wiederholte er langsamer. Er musterte mich von oben bis unten und blinzelte skeptisch. »Woher in aller Welt habt Ihr sie, Webb?«
    »Aus dem Gefängnis.« Webb warf mir einen gleichgültigen Blick zu, als sei ich ein nicht besonders hübscher, aber nützlicher Haushaltsgegenstand wie zum Beispiel ein Nachttopf. »Als ich mich nach einer Hebamme umgehört habe, hat man mir erzählt, dass diese Frau ein Wunder an einer Sklavin vollbracht hatte, einer Mitgefangenen, die eine schwierige Geburt hatte. Und da die Angelegenheit dringend war und keine andere Kräuterfrau zu finden war...« Er zuckte mit den Achseln und verzog schwach das Gesicht.
    »Hmmmm.« Der Gouverneur zog ein Taschentuch aus dem Ärmel und tupfte nachdenklich an der Schwabbelhaut unter seinem Kinn herum. »Könnt Ihr leserlich schreiben?«
    Ich war der Meinung, dass jemand, der das nicht konnte, wohl einen schlechten Urkundenfälscher abgeben würde, begnügte mich aber mit einem »Ja«. Glücklicherweise entsprach dies der Wahrheit; in meiner eigenen Zeit hatte ich mit Kuli Rezepte gekritzelt wie ein Weltmeister, doch jetzt hatte ich mir angewöhnt, sauber mit einem Federkiel zu schreiben, so dass meine Behandlungsprotokolle und Notizen lesbar waren, für denjenigen, der sie möglicherweise nach mir las. Wieder spürte ich einen Stich bei dem Gedanken an Malva – doch ich hatte jetzt keine Zeit, an sie zu denken.

    Der Gouverneur, der mich immer noch spekulierend betrachtete, wies kopfnickend auf einen Stuhl und einen kleineren Schreibtisch an der Wand des Zimmers.
    »Setzt Euch.« Er erhob sich, wühlte in den Papieren auf seinem Tisch und legte eines davon vor mich hin. »Lasst mich bitte sehen, wie Ihr eine

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