Ein Hauch von Schnee und Asche
und rund – ziemlich rund, denn sie war hochschwanger – und hatte eine kleine spitze Nase und einen kurzsichtigen Blick, der mich unwiderstehlich an Beatrix Potters Frau Igelischen erinnerte. Auf ihren Charakter traf dies allerdings weniger zu.
»Wer zum Teufel ist das?«, wollte sie wissen und steckte ihren zerzausten, mit einer Haube bedeckten Kopf aus der Bettwäsche.
»Hebamme, Ma’am«, sagte Dilman und knickste erneut. »Habt Ihr gut geschlafen, Ma’am?«
»Natürlich nicht«, sagte Mrs. Martin gereizt. »Dieses verflixte Kind hat mir die Leber grün und blau getreten. Ich habe mich die ganze Nacht übergeben, ich habe die Laken durchgeschwitzt, und ich habe Schüttelfrost. Man hat mir doch gesagt, es sei im ganzen Bezirk keine Hebamme zu finden.« Sie warf mir einen säuerlichen Blick zu. »Wo habt Ihr denn diese Person aufgetrieben, im hiesigen Gefängnis?«
»So ist es«, sagte ich und schwang mir die Tasche von der Schulter. »Wie weit seid Ihr, seit wann geht es Euch schlecht, und wann hattet Ihr das letzte Mal Verdauung?«
Jetzt sah sie schon etwas interessierter aus und winkte Dilman aus dem Zimmer.
»Was hat sie gesagt, wie Ihr heißt?«
»Fraser. Habt Ihr irgendwelche Anzeichen für eine Frühgeburt? Krämpfe? Blutungen? Regelmäßiges Ziehen im Rücken?«
Sie sah mich skeptisch von der Seite an, begann aber, meine Fragen zu beantworten. Und so konnte ich schließlich eine akute Lebensmittelvergiftung diagnostizieren, wahrscheinlich ausgelöst durch ein Stück Austernpastete, das sie – zusammen mit diversen anderen Speisen – am Vortag in einem Anfall von Schwangerschaftsheißhunger verzehrt hatte.
»Ich bin nicht krank?« Sie zog ihre Zunge zurück, die ich hatte inspizieren dürfen, und runzelte die Stirn.
»Nein, das seid Ihr nicht. Zumindest noch nicht«, musste ich ehrlichkeitshalber hinzufügen. Es war kein Wunder, dass sie glaubte, sie sei krank; im Verlauf der Untersuchung hatte ich erfahren, dass ein besonders hartnäckiges Fieber in der Stadt umging – und im Palast. Der Sekretär des Gouverneurs war vor zwei Tagen daran gestorben, und Dilman war die einzige Hausangestellte, die noch auf den Beinen war.
Ich holte sie aus dem Bett und half ihr in den Sessel, in dem sie sich zusammensacken ließ, so dass sie aussah wie ein zermatschtes Sahnetörtchen. Im Zimmer war es heiß und stickig, und ich öffnete das Fenster in der Hoffnung auf einen Luftzug.
»Um Gottes willen, Mrs. Fraser, wollt Ihr mich umbringen?« Sie zog sich ihren Morgenmantel fest um den Bauch und duckte sich, als hätte ich einen heulenden Schneesturm eingelassen.
»Wahrscheinlich nicht.«
»Aber das Miasma!« Sie wies entsetzt mit der Hand auf das Fenster. Natürlich stellten Moskitos tatsächlich eine Gefahr dar. Doch es dauerte noch einige Stunden bis zum Sonnenuntergang, und erst dann würden sie losfliegen.
»Wir schließen es gleich wieder. Vorerst braucht Ihr Luft. Und am besten etwas Leichtes. Meint Ihr, Ihr bekommt etwas Toast herunter?«
Darüber dachte sie nach und berührte zögernd ihre Mundwinkel mit der Zungenspitze.
»Vielleicht«, beschloss sie. »Und eine Tasse Tee. Dilman!«
Nachdem sie Dilman beauftragt hatte, ihr Tee und Toast zu holen – wie lange war es her, dass ich zuletzt echten Tee gesehen hatte?, fragte ich mich -, machte ich mich daran, ihre medizinische Vorgeschichte vollständiger in Erfahrung zu bringen.
Wie viele vorhergegangene Schwangerschaften? Sechs, doch ein Schatten zog über ihr Gesicht hinweg, und ich sah, wie sie den Blick unwillkürlich auf eine hölzerne Marionette richtete, die vor dem Kamin lag.
»Sind Eure Kinder im Palast?«, fragte ich neugierig. Ich hatte kein Anzeichen
irgendwelcher Kinder gehört, und selbst in einem Gebäude von der Größe des Palastes würde es schwierig sein, sechs Exemplare zu verstecken.
»Nein«, sagte sie seufzend und legte die Hände auf ihren Bauch, um ihn beinahe geistesabwesend festzuhalten. »Wir haben die Mädchen vor ein paar Wochen zu meiner Schwester nach New Jersey geschickt.«
Noch ein paar Fragen, und Tee und Toast trafen ein. Ich ließ sie in Frieden essen und machte mich daran, die feuchte, zerknitterte Bettwäsche auszuschlagen.
»Ist es wahr?«, sagte Mrs. Martin so plötzlich, dass ich aufschreckte.
»Ist was wahr?« »Man sagt, Ihr habt die junge Geliebte Eures Mannes ermordet und ihr
das Baby aus dem Bauch geschnitten. Stimmt das?«
Ich schloss die Augen und presste die Daumenwurzel fest gegen
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