Ein Hauch von Schnee und Asche
Kopie hiervon anfertigt.«
Es war ein kurzer Brief an den Königlichen Rat, der die Sorge des Gouverneurs über die jüngsten Drohungen gegenüber dieser Einrichtung zum Ausdruck brachte und seine nächste Zusammenkunft aufschob. Ich wählte einen Federkiel aus dem Kristallbehälter auf dem Schreibtisch, fand ein silbernes Taschenmesser, stutzte mir den Kiel zurecht, zog den Korken aus dem Tintenfass und machte mich an die Arbeit. Dabei war mir bewusst, dass mich die beiden Männer genau beobachteten.
Ich hatte keine Ahnung, wie lange meine Tarnung halten würde – Frau Gouverneurin konnte mich jederzeit auffliegen lassen -, doch vorerst glaubte ich, dass meine Chancen zur Flucht besser standen, solange man mich der Urkundenfälschung bezichtigte und nicht des Mordes.
Der Gouverneur ergriff die fertige Kopie, betrachtete sie und legte sie mit einem leisen, zufriedenen Grunzen auf den Tisch.
»Nicht schlecht«, sagte er. »Fertigt acht weitere Kopien davon an, und dann könnt Ihr hiermit fortfahren.« Er wandte sich wieder seinem eigenen Schreibtisch zu und schob seine Korrespondenz zu einem großen Berg zusammen, den er vor mir deponierte.
Die beiden Männer – ich hatte keine Ahnung, welche Funktion Webb versah, doch er war offenbar ein enger Freund des Gouverneurs – setzten ihre Amtsgespräche fort, ohne mich weiter zu beachten.
Ich ging mechanisch meiner Aufgabe nach und ließ mich vom Kratzen der Feder und dem darauf folgenden Ritual einlullen: Sand streuen, löschen, schütteln. Zum Abschreiben benötigte ich nur einen kleinen Teil meines Verstandes; dem Rest stand es frei, sich um Jamie zu sorgen und darüber nachzudenken, wie sich am besten eine Flucht bewerkstelligen ließ.
Ich konnte mich nach einer Weile entschuldigen – und tat dies wohl auch besser -, um nach Mrs. Martin zu sehen. Wenn ich dies ohne Begleitung fertig brachte, würden mir ein paar Momente unbeobachteter Freiheit bleiben, in denen ich unauffällig zum nächsten Ausgang huschen konnte. Doch bis jetzt war jede Tür, die ich gesehen hatte, bewacht gewesen. Der Gouverneurspalast hatte leider eine gut bestückte Kräuterkammer; es würde schwierig sein, ein Bedürfnis nach einem Mittel aus der Apotheke zu erfinden – und selbst dann war es unwahrscheinlich, dass sie es mich allein holen gehen lassen würden.
Am besten schien es zu sein, auf die Nacht zu warten; wenn es mir gelang, den Palast zu verlassen, würde es dann wenigstens einige Stunden dauern, bis man meine Abwesenheit bemerkte.
Doch wenn sie mich wieder einsperrten …
Ich kritzelte fleißig vor mich hin, während ich eine Reihe wenig zufriedenstellender Pläne durchdachte und mir alle Mühe gab, mir nicht auszumalen, wie sich Jamies Leiche, die in einem einsamen Tal an einem Baum hing, langsam im Wind drehte. Christie hatte mir sein Wort gegeben; ich klammerte mich daran, da ich sonst nichts zum Anklammern hatte.
Webb und der Gouverneur unterhielten sich murmelnd, doch sie sprachen über Dinge, von denen ich keine Ahnung hatte, und ihre Worte spülten zum Großteil über mich hinweg wie der Klang der See, bedeutungslos und beruhigend. Nach einer Weile jedoch kam Webb zu mir, um mir Anweisungen zu geben, wie ich diese Briefe versiegeln und adressieren sollte. Ich dachte daran, ihn zu fragen, warum er nicht selbst in dieser Notlage aushalf, doch dann sah ich seine Hände – die beide durch starke Arthritis entstellt waren.
»Eure Handschrift ist wirklich ordentlich, Mrs. Fraser«, überwand er sich an einem Punkt anzumerken und schenkte mir ein kurzes, winterkühles Lächeln. »Was für ein Pech, dass Ihr die Urkundenfälscherin seid, nicht die Mörderin.«
»Warum?«, fragte ich ausgesprochen erstaunt.
»Nun, Ihr seid eindeutig gebildet«, sagte er, seinerseits überrascht über mein Erstaunen. »Wenn man Euch wegen Mordes verurteilt, könnt Ihr Berufung einlegen und mit einer öffentlichen Auspeitschung und einem Brand davonkommen. Urkundenfälschung dagegen -« Er schüttelte den Kopf und spitzte die Lippen. »Kapitalverbrechen, keine Begnadigung möglich. Wenn Ihr wegen Urkundenfälschung verurteilt werdet, Mrs. Fraser, muss man Euch, fürchte ich, hängen.«
Meine Gefühle der Dankbarkeit gegenüber Sadie Ferguson unterzogen sich einer abrupten Neueinschätzung.
»Wirklich«, sagte ich so kühl wie möglich, obwohl mein Herz einen krampfhaften Satz getan hatte und jetzt versuchte, sich aus meiner Brust ins Freie zu wühlen. »Nun, dann wollen wir hoffen,
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