Ein Hauch von Schnee und Asche
wolltet doch den Gouverneur sprechen, Sir?«
Er ließ mich langsam los und drehte sich um.
»So ist es«, sagte er und hielt mir die Hand hin. »Sassenach?«
Ich ergriff sie und folgte dem Soldaten, der auf die Treppe zuhielt. Ich warf noch einen Blick über die Reling und sah, wie sich meine Haube in der Dünung hob und senkte, mit Luft aufgeblasen und gemächlich wie eine Qualle.
Doch die friedliche Illusion verschwand schlagartig, sobald wir unten waren.
Der Gouverneur war ebenfalls fast die ganze Nacht auf gewesen und sah nicht viel besser aus als Jamie, obwohl er natürlich nicht mit Ruß beschmiert war. Dafür war er unrasiert, seine Augen waren blutunterlaufen, und seine Stimmung war gereizt.
»Mr. Fraser«, sagte er mit einem kurzen Kopfnicken. »Ihr seid doch James Fraser? Und Ihr lebt in den Bergen im Hinterland?«
»Ich bin Fraser aus Fraser’s Ridge«, sagte Jamie höflich. »Und ich bin hier, um meine Frau zu holen.«
»Oh, seid Ihr das.« Der Gouverneur warf ihm einen säuerlichen Blick zu und setzte sich, während er gleichgültig auf einen Hocker wies. »Ich muss
Euch leider mitteilen, Sir, dass Eure Frau eine Gefangene der Krone ist. Obwohl Euch das ja vielleicht bekannt war?«
Jamie ignorierte den Sarkasmus und setzte sich auf den ihm angebotenen Hocker.
»Nein, das ist sie nicht«, sagte er. »Es stimmt doch, oder, dass Ihr in der Kolonie North Carolina das Kriegsrecht ausgerufen habt?«
»Das stimmt«, sagte Martin kurz angebunden. Dies war ein ziemlich wunder Punkt, denn er hatte zwar das Kriegsrecht ausgerufen, war jedoch nicht in der Lage, es auch durchzusetzen, sondern musste stattdessen ohnmächtig und vor Wut kochend auf dem Wasser dümpeln, bis England geruhte, ihm Verstärkung zu schicken.
»Dann ist damit jedes übliche Gesetz außer Kraft gesetzt«, sagte Jamie. »Ihr allein habt die Kontrolle über den Gewahrsam und den Aufenthaltsort sämtlicher Gefangenen – und meine Frau befindet sich schon einige Zeit in Eurem Gewahrsam. Daher habt Ihr ebenso die Befugnis, sie zu entlassen.«
»Hm«, sagte der Gouverneur. Darüber hatte er offensichtlich noch nicht nachgedacht, und er war sich offenbar nicht sicher, welche Konsequenzen es hatte. Gleichzeitig war der Gedanke, dass er die Kontrolle über irgendetwas hatte, im Moment wahrscheinlich Balsam für seine gebeutelte Seele.
»Man hat keinen Prozess gegen sie anberaumt und nicht einmal irgendwelche Beweise gegen sie gesammelt«, sagte Jamie bestimmt. Ich ertappte mich bei einem stummen Dankgebet, weil ich MacDonald die Einzelheiten erst nach seiner Unterredung mit dem Gouverneur erzählt hatte – es mochte zwar nicht das sein, was ein modernes Gericht als Beweismittel bezeichnete, doch es war zumindest ein verdächtiges Indiz, wenn man mit einem Messer in der Hand neben zwei warmen, blutigen Leichen gefunden wurde.
»Man beschuldigt sie, doch die Anklage ist gegenstandslos. Auch wenn Ihr sie erst so kurz kennt, habt Ihr doch sicher schon Eure Schlüsse in Bezug auf ihren Charakter gezogen?« Ohne eine Antwort darauf abzuwarten, fuhr er fort.
»Als man uns beschuldigte, haben wir keinen Widerstand geleistet gegen den Versuch, meine Frau – und mich, denn dieselbe Anklage wurde auch gegen mich erhoben – vor Gericht zu bringen. Welch besseren Beweis kann es geben, dass wir so sehr von ihrer Unschuld überzeugt sind, dass wir einen schnellen Prozess wünschten, um diese offiziell festzustellen?«
Der Gouverneur hatte die Augen zusammengekniffen und schien intensiv nachzudenken.
»Euren Argumenten fehlt es nicht an Überzeugungskraft, Sir«, sagte er schließlich im Tonfall formeller Höflichkeit. »Allerdings habe ich es so verstanden, dass das Verbrechen, dessen Eure Frau beschuldigt wird, höchst grauenvoll gewesen ist. Wenn ich sie freigebe, wird dies unweigerlich einen öffentlichen Aufschrei nach sich ziehen – und ich habe wirklich genug von
öffentlicher Unruhe«, fügte er mit einem trostlosen Blick auf Jamies angesengte Rockärmel hinzu.
Jamie holte tief Luft und unternahm einen neuen Anlauf.
»Ich verstehe Eure Zurückhaltung sehr wohl, Eure Exzellenz«, sagte er. »Vielleicht könnte ich Euch eine… Garantie anbieten, um diese zu überwinden?«
Martin setzte sich kerzengerade hin und schob sein fliehendes Kinn vor.
»Was schlagt Ihr da vor, Sir? Besitzt Ihr etwa die Impertinenz, die – die – unaussprechliche Dreistigkeit, mich bestechen zu wollen?« Er ließ beide Hände auf den Tisch niedersausen und
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