Ein Hauch von Schnee und Asche
und folgte Josh nach unten. Sie machte
sich Sorgen, und das nicht nur wegen des verschwundenen Goldes und der Spukgeschichten. General MacDonald, so-so. Wenn er Kämpfer unter den Highlandern rekrutieren wollte, war ihr Vater eine nahe liegende Anlaufstelle für ihn.
Wie Roger vor einiger Zeit angemerkt hatte, »beherrscht Jamie den Balanceakt zwischen Whigs und Tories besser als jeder, den ich kenne – aber wenn es hart auf hart kommt, muss er springen.«
Schon in Mecklenburg war es fast so weit gewesen. Doch hart auf hart, so dachte sie, kam es mit MacDonald.
100
Ein Ausflug ans Meer
Neil Forbes, der es für klug hielt, sich für eine Weile nicht blicken zu lassen, war nach Edenton aufgebrochen, angeblich, um mit seiner betagten Mutter deren noch betagtere Schwester zu besuchen. Er hatte die lange Reise genossen, obwohl sich seine Mutter über die Staubwolken beklagte, die durch eine vorausfahrende Kutsche aufgewirbelt wurden.
Zu ungern hatte er auf den Anblick dieser Kutsche verzichtet – eines kleinen, gut gefederten Gefährts, dessen Fenster versiegelt und mit schweren Vorhängen verschlossen waren. Doch er war immer schon ein hingebungsvoller Sohn gewesen, und am nächsten Halteposten hatte er ein Wort mit dem Kutscher gewechselt. Die andere Kutsche fiel gehorsam zurück und folgte ihnen in gebührendem Abstand.
»Wonach schaust du denn nur, Neil?«, wollte seine Mutter wissen, als sie aufblickte, nachdem sie sich ihre Lieblingsbrosche mit den Granaten wieder angesteckt hatte. »Das ist jetzt schon das dritte Mal, dass du einen Blick aus diesem Fenster wirfst.«
»Oh, nichts, Mutter«, sagte er und holte tief Luft. »Ich genieße nur den Tag. Herrliches Wetter, nicht wahr?«
Mrs. Forbes rümpfte die Nase, tat ihm aber den Gefallen, sich die Brille zurechtzurücken und sich hinauszubeugen.
»Aye, nun ja, ganz schön«, räumte sie skeptisch ein. »Aber ziemlich heiß und so feucht, dass man sich das Wasser eimerweise aus der Unterhose wringen kann.«
»Keine Sorge, a leannan «, sagte er und klopfte ihr auf die schwarz gekleidete Schulter. »Wir sind in null Komma nichts in Edenton. Da ist es bestimmt kühler. Nichts ist besser für den Teint, sagt man, als die frische Seeluft!«
101
Nachtwache
Reverend McMillans Haus lag am Meer. Ein Segen bei dem heißen, schwülen Wetter. Am Abend wehte der Wind alles aufs Meer hinaus – Hitze, Kaminrauch, Moskitos. Die Männer saßen nach dem Abendessen auf der Veranda, rauchten Pfeife und genossen die Ruhe.
Rogers Genuss paarte sich mit Schuldbewusstsein angesichts der Tatsache, dass Mrs. Reverend McMillan und ihre drei Töchter im Schweiße ihres Angesichts das Geschirr spülten, aufräumten, den Fußboden wischten, aus den übrig gebliebenen Hammelknochen des Abendessens die Linsensuppe für morgen kochten, die kleineren Kinder zu Bett brachten und sich auch sonst im stickigen, heißen Inneren des Hauses abplagten. Zu Hause hätte er sich verpflichtet gefühlt, bei solchen Arbeiten zu helfen, um sich nicht Briannas Zorn auszusetzen; hier wäre ein solches Angebot mit absoluter Ungläubigkeit aufgenommen worden, gefolgt von tiefem Argwohn. Stattdessen saß er friedvoll im kühlen Abendwind, sah den Fischerbooten zu, die durch den Sund an Land kamen, und nippte an etwas, das Kaffee darstellen sollte, während man angenehme Männergespräche führte.
Manchmal, so dachte er, hatte die Rollenverteilung der Geschlechter im achtzehnten Jahrhundert doch etwas für sich.
Sie unterhielten sich über die Neuigkeiten aus dem Süden; Gouverneur Martins Flucht, die Zerstörung von Fort Johnston. Das politische Klima in Edenton war den Whigs zugetan, und die Anwesenden waren zum Großteil Geistliche – der Älteste, Reverend Dr. McCorkle, sein Sekretär Warren Lee, Reverend Jay McMillan, Reverend Patrick Dugan und vier weitere angehende Pastoren außer Roger-, doch unter der einvernehmlichen Oberfläche der Unterhaltung gab es Strömungen politischer Uneinigkeit.
Roger selbst sagte wenig; er wollte McMillans Gastfreundschaft nicht verletzen, indem er Zündstoff für ein Streitgespräch lieferte – und etwas in seinem Inneren hegte den Wunsch nach Ruhe, um über morgen nachzudenken.
Doch dann nahm die Unterhaltung eine neue Wendung, und er ertappte sich dabei, dass er gebannt zuhörte. Der Kontinentalkongress war vor zwei Monaten in Philadelphia zusammengetreten und hatte General Washington das Oberkommando der Armee übergeben. Warren Lee hatte sich zu diesem
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