Ein Hauch von Schnee und Asche
Vergeltungsmaßnahmen provozierten. Die Gewissheit, dass ebendiese vernichtenden Vergeltungsmaßnahmen kommen würden – und Menschen treffen würden, die sie mochte oder sogar liebte -, verursachte ihr das, was ihr Vater das kalte Grausen nannte; ein eisiges Gefühl lähmenden Schreckens, das durch ihr Blut rauschte.
»Nun denn?« Buchanans Stimme war deutlich zu hören, als sie jetzt die Tür öffnete, und sie klang ungeduldig. »Sie werden nicht warten, Duncan. Ich muss das Geld Mittwoch in einer Woche haben, sonst verkauft Dunkling die Waffen an jemand anderen; du weißt doch, Angebot und Nachfrage. Wenn er Gold bekommt, wird er warten – aber nicht lange.«
»Aye, das weiß ich wohl, Sawny.« Duncan klang ungeduldig – und sehr gequält, dachte Brianna. »Wenn es möglich ist, tue ich es.«
»WENN?«, rief Buchanan. »Was soll dieses ›Wenn‹? Bis jetzt hieß es immer, oh, aye, Sawny, wirklich kein Problem, Sawny, sag Dunkling, der Handel gilt, natürlich , Sawny -«
»Ich habe gesagt, Alexander, ich werde es tun, wenn es möglich ist.« Duncans Stimme war leise, hatte aber plötzlich einen stählernen Unterton, den sie noch nie von ihm gehört hatte.
Buchanan sagte eine Grobheit auf Gälisch, und plötzlich flog die Tür zu Duncans Büro auf, und der Mann kam herausgestürzt, so aufgebracht, dass er sie kaum sah und ihr nur im Vorübergehen hastig zunickte.
Was auch nicht schlimm war, dachte sie, stand sie doch mit einer Schüssel Erbrochenem auf dem Arm da.
Bevor sie Anstalten machen konnte, diese loszuwerden, kam Duncan aus dem Zimmer. Er sah erhitzt, gereizt – und extrem sorgenvoll aus. Doch er bemerkte sie immerhin.
»Wie geht es denn, Kleine?«, fragte er und sah sie blinzelnd an. »Ihr seid ein bisschen grün, habt Ihr etwas Falsches gegessen?«
»Ich glaube, ja. Aber es geht schon wieder«, sagte sie und drehte sich hastig zur Seite, um die Schüssel wieder hinter sich ins Zimmer zu schieben. Sie stellte sie auf den Boden und schloss die Tür hinter sich. »Und Euch, Duncan?«
Er zögerte einen Moment, doch was auch immer es war, das ihm Kummer machte, war zu überwältigend, um es für sich zu behalten. Er sah sich um, doch um diese Tageszeit war keiner der Sklaven hier oben. Dennoch beugte er sich zu ihr herüber und senkte die Stimme.
»Habt Ihr zufällig… irgendetwas Merkwürdiges gesehen, a nighean ?«
»Inwiefern denn merkwürdig?«
Er rieb sich unter seinem Schnurrbart entlang und sah sich noch einmal um.
»Zum Beispiel in der Nähe von Hector Camerons Grab?«, fragte er, und seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
Ihr Zwerchfell, vom Erbrechen noch wund, zog sich bei diesen Worten zusammen, und sie legte eine Hand auf ihren Bauch.
»Dann ist es also so?« Duncans Miene wurde schärfer.
»Ich nicht«, sagte sie und erklärte ihm die Sache mit Jemmy, Angelina und dem vermeintlichen Gespenst.
»Ich dachte, es wäre vielleicht Mr. Buchanan«, schloss sie und wies auf die Treppe, über die Alexander Buchanan verschwunden war.
»Das ist ein Gedanke«, murmelte Duncan und rieb sich geistesabwesend die grau melierte Schläfe. »Aber nein… gewiss nicht. Er könnte niemals – aber es ist ein Gedanke.« Brianna hatte den Eindruck, dass er ein winziges Quäntchen hoffnungsvoller aussah.
»Duncan – könnt Ihr mir sagen, was geschehen ist?«
Er holte tief Luft, schüttelte den Kopf – nicht verneinend, sondern perplex -, atmete wieder aus und ließ seine Schulter zusammensacken.
»Das Gold«, sagte er einfach nur. »Es ist fort.«
Siebentausend Pfund in Goldbarren waren eine beträchtliche Menge, in jedem Sinne des Wortes. Sie hatte zwar keine Ahnung, wie viel eine solche Summe wiegen mochte, doch es hatte den Boden von Jocastas Sarg, der sittsam neben Hectors im Familienmausoleum stand, vollständig bedeckt.
»Was meint Ihr damit, ›fort‹?«, platzte sie heraus. »Alles?«
Duncan umklammerte ihren Arm und verzog das Gesicht, um sie zum Leisesein zu drängen.
»Aye, alles«, sagte er und sah sich erneut um. »Um Gottes willen, Kleine, nicht so laut!«
»Wann ist es denn verschwunden? Oder besser«, korrigierte sie sich, »wann habt Ihr entdeckt, dass es verschwunden ist?«
»Letzte Nacht.« Wieder sah er sich um und wies mit dem Kinn auf sein Büro. »Kommt mit, Kleine; ich erzähle es Euch.«
Duncans Aufregung ließ ein wenig nach, als er ihr die Geschichte erzählte; als er fertig war, hatte er eine gewisse äußere Ruhe wieder gefunden.
Die
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