Ein Hauch von Schnee und Asche
Buchanans Pfeifenrauch ihren Geruchssinn. Sie schüttelte den Kopf und kratzte den zarten grünen Puder vorsichtig in ein Fläschchen, um ihn später mit Walnussöl zu vermischen oder in einer Temperafarbe zu benutzen.
Sie ließ den Blick abschätzend über ihre Auswahl an Büchsen und Beutelchen wandern – einige hatte Tante Jocasta ihr zur Verfügung gestellt, andere verdankte sie Lord John Grey, der sie extra aus London hatte kommen lassen -, die Fläschchen und die Trockentabletts mit den Pigmenten, die sie selbst gemahlen hatte, um zu prüfen, was sie möglicherweise sonst noch brauchte.
Heute Nachmittag würde sie nur vorbereitende Skizzen anfertigen – der Auftrag war ein Porträt von Mr. Forbes’ betagter Mutter -, doch möglicherweise blieben ihr ja bis zu Rogers Rückkehr nur ein oder zwei Wochen, um das Bild zu vollenden; sie konnte keine Zeit…
Eine Woge des Schwindels zwang sie plötzlich, sich hinzusetzen, und schwarze Flecken huschten durch ihr Gesichtsfeld. Sie legte den Kopf zwischen die Knie und atmete tief durch. Es half kaum; die Luft war mit beißenden Terpentindämpfen und den fleischigen, modrigen Tiergerüchen aus dem Stall erfüllt.
Sie hob den Kopf und tastete nach der Tischkante. Ihre Innereien schienen sich plötzlich in eine Flüssigkeit verwandelt zu haben, die ihr vom Bauch in die Kehle und zurückschwappte und den bitteren gelben Geruch der Galle in ihrer Nase hinterließ.
»O Gott!«
Die Flüssigkeit in ihrem Bauch schoss ihr durch den Hals, und sie schaffte es gerade noch, die Schüssel vom Tisch zu nehmen und das Wasser auf den Boden zu schütten, als ihr Bauch sein Inneres nach außen kehrte, um sich panisch zu entleeren.
Sie stellte die Schüssel ganz vorsichtig wieder hin, saß keuchend da und starrte den nassen Fleck am Boden an, als die Welt auf ihrer Achse kippte und in einer unangenehmen Schräglage wieder zur Ruhe kam.
»Herzlichen Glückwunsch, Roger«, keuchte sie laut, und ihre Stimme klang schwach und unsicher in der stickigen, feuchten Luft. »Ich glaube , du wirst Vater. Schon wieder.«
Sie blieb eine Zeit lang reglos sitzen und erkundete die Empfindungen ihres Körpers, suchte nach Sicherheit. Bei Jemmy war ihr nie schlecht geworden – doch sie erinnerte sich an ihre merkwürdig veränderten Sinneswahrnehmungen;
jenen merkwürdigen Zustand, den man Synästhesie nannte, in dem Sehkraft, Geruchssinn, Geschmackssinn und manchmal sogar das Gehör auf die seltsamste Weise die Eigenschaften miteinander tauschten.
Es war genauso schnell verschwunden, wie es geschehen war; der Geruch von Mr. Buchanans Tabak war jetzt viel kräftiger, doch jetzt war es nur noch das milde Aroma geräucherter Blätter, kein fleckiges, grün-braunes Wesen, das sich über ihre Schleimhäute wand und die Membranen ihres Hirns klappern ließ wie ein Blechdach im Hagelsturm.
Sie hatte sich so sehr auf die Empfindungen ihres Körpers und auf ihre mögliche Bedeutung konzentriert, dass sie die Stimmen im Nebenzimmer zunächst nicht bemerkt hatte. Das war Duncans bescheidener Schlupfwinkel; hier bewahrte er die Geschäftsbücher des Anwesens auf und hierher begab er sich – so glaubte sie -, wenn ihm der Luxus des Hauses zu viel wurde.
Mr. Buchanan befand sich jetzt mit Duncan dort, und was als freundlich summende Unterhaltung begonnen hatte, begann jetzt, Zeichen der Anspannung an den Tag zu legen. Sie stand auf, erleichtert, nur noch einen leichten Rest von Mulmigkeit zu spüren, und ergriff die Schüssel. Natürlich neigte sie wie jeder Mensch zum Lauschen, doch in letzter Zeit hatte sie darauf geachtet, nur noch das zu hören, was sie hören musste.
Duncan und ihre Tante Jocasta waren standhafte Loyalisten, und kein noch so taktvolles Drängen und kein noch so logisches Argument konnte etwas an ihren Überzeugungen ändern. Sie hatte schon mehr als einmal Privatgespräche zwischen Duncan und ortsansässigen Tories mit angehört, bei denen ihr das Wissen um den Ausgang der gegenwärtigen Ereignisse das Herz vor Sorge zusammenkrampfte.
Hier im Vorgebirge, im Herzen der Cape-Fear-Region, waren die meisten aufrechten Bürger Loyalisten und als solche fest überzeugt, dass die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Norden nichts als überbewertete Krawalle waren, die wahrscheinlich überflüssig waren und sie ansonsten kaum etwas angingen – und was hier am nötigsten war, war eine feste Hand, die die hysterischen Whigs unter Kontrolle brachte, bevor ihre Exzesse vernichtende
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