Ein Hauch von Schnee und Asche
Hauptkai wiegten. »Von einem dieser Schiffe aus? Was meinst du?«
Brianna suchte in der Tasche an ihrer Taille herum und zog ihr kleines Messingteleskop heraus. Sie runzelte konzentriert die Stirn und betrachtete die Schiffe mit gespitzten Lippen – eine Fischerketsch, Mr. Chesters Brigg und ein größeres Schiff, das zur britischen Flotte gehörte und am frühen Nachmittag eingelaufen war.
»Heiliger Bimbam«, murmelte sie und hielt in ihrem Schwenk inne, als ein heller Kopf ihre Linse füllte. »Ist das der, für den ich … holla, er ist es!« Eine winzige Flamme der Freude glühte wärmend in ihr auf.
»Wer denn?« Roger blinzelte und bemühte sich, auch ohne Hilfe etwas zu erkennen.
»Es ist John! Lord John!«
»Lord John Grey? Bist du sicher?«
»Ja. Auf der Brigg – er muss aus Virginia kommen. Hoppla, jetzt ist er fort – aber er ist hier, ich habe ihn gesehen!« Aufgeregt wandte sie sich Roger zu und schob ihr Teleskop zusammen, um ihn am Arm zu packen.
»Komm mit! Wir gehen ihn suchen. Er wird uns helfen.«
Roger folgte ihr, wenn auch sichtlich weniger begeistert.
»Du willst es ihm erzählen? Meinst du, das ist klug?«
»Nein, aber das spielt keine Rolle. Er kennt mich.«
Roger sah sie scharf an, doch seine finstere Miene taute zu einem widerstrebenden Lächeln auf.
»Du meinst, er ist zu klug, um auch nur zu versuchen, dich von irgendetwas abzuhalten, was du dir in deinen sturen Kopf gesetzt hast?«
Sie erwiderte sein Lächeln und dankte ihm mit den Augen. Es gefiel ihm nicht – eigentlich war er sogar durch und durch dagegen, und sie warf ihm das nicht vor -, aber er würde nicht versuchen, sie davon abzuhalten. Er kannte sie schließlich ebenso.
»Ja. Komm mit, bevor er verschwindet!«
Es war ein langsamer Marsch um den geschwungenen Hafen herum, zwischen den wachsenden Grüppchen der Schaulustigen hindurch. Vor dem Wirtshaus The Breakers verdichtete sich das Gedränge abrupt. Eine Gruppe rot berockter Soldaten saß und stand ungeordnet auf dem Bordstein, Seesäcke und Truhen um sie herum verstreut, denn sie waren zu zahlreich, um in das Wirtshaus zu passen. Alekrüge und Cidregläser wurden aus dem Inneren des Hauses von Hand zu Hand weitergereicht, und ihr Inhalt schwappte denen auf die Köpfe, über die sie hinweg gereicht wurden.
Ein drangsalierter, aber fähiger Sergeant, der an der mit Holz verkleideten Wand des Wirtshauses lehnte, blätterte gleichzeitig einen Papierstapel durch, erteilte Befehle und aß ein Stück Fleischpastete. Brianna absolvierte den Hindernislauf zwischen den Männern und dem Gepäck hindurch mit gerümpfter Nase; aus den dicht gedrängten Reihen stieg ein Geruch nach Seekrankheit und unreiner Haut auf.
Ein paar Passanten knurrten beim Anblick der Soldaten vor sich hin; andere winkten ihnen im Vorbeigehen jubelnd zu, was die Soldaten mit fröhlichen Rufen erwiderten. Gerade aus den Eingeweiden der Scorpion befreit, waren die Soldaten viel zu begeistert über ihre Freiheit und den Geschmack des frischen Essens, um sich daran zu stören, wer was tat oder sagte.
Roger schob sich vor Brianna und bahnte sich mit den Schultern und Ellbogen den Weg durch das Gedränge. Beifallsrufe und Pfiffe stiegen bei ihrem Anblick von den Soldaten auf, doch sie hielt den Kopf gesenkt und die Augen fest auf Rogers Füße gerichtet, während sie weiter vorwärts drängte.
Sie seufzte erleichtert auf, als sie am Kopfende des Kais aus der Menge auftauchten. Auf der anderen Seite der Docks wurde gerade die Ausrüstung der Soldaten von der Scorpion abgeladen, doch in der Nähe der Brigg herrschte wenig Verkehr. Sie blieb stehen und spähte hin und her, um Lord Johns unverwechselbaren blonden Kopf zu entdecken.
»Da ist er ja!« Roger zupfte an ihrem Arm, und sie fuhr in die Richtung herum, in die er zeigte, und kollidierte mit ihm, weil er abrupt einen Schritt zurücktrat.
»Was -«, begann sie gereizt, brach dann aber ab, weil sie sich fühlte, als hätte sie einen Boxhieb vor die Brust bekommen.
»Wer in Gottes Namen ist das?«, wisperte Roger und sprach damit ihre Gedanken aus.
Lord John stand am anderen Ende des Kais und unterhielt sich angeregt mit einem der rot berockten Soldaten. Ein Offizier; Goldlitze glitzerte auf seiner Schulter, und er trug einen eleganten Dreispitz unter dem Arm. Doch es war nicht die Uniform des Mannes, die ihr so ins Auge stach.
»Ach, du liebe Güte«, flüsterte sie, und ihre Lippen waren taub.
Er war hoch gewachsen – sehr hoch
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