Ein Hauch von Seide - Roman
es eigentlich ganz leicht sein müsste, sie davon zu überzeugen, dass Emerald das Recht hatte, sich für sich und Alessandros Kind moralisch aufs hohe Ross zu setzen. Emerald würde nicht zulassen, dass sie, nur weil sie ein Kind bekam, in der Gesellschaft nicht mehr willkommen war.
»Ich hätte mich vielleicht zur Konversion bereit erklären sollen, aber mein lieber Vater war strenger Anhänger der Kirche von England, und es wäre mir vorgekommen, als würde ich alles verraten, wofür er stand.«
»O nein, du hast das Richtige getan. Ich bewundere dich sehr, Emerald. Ich glaube, bei der Gräfin von Bexton ist es ungefähr um dieselbe Zeit so weit wie bei dir. Ihr Mann war mit Peter in Eton. Ich muss euch miteinander bekannt machen. Sie ist unglaublich nett und hat phantastische Verbindungen. Oh, und Newton hat neulich nach dir gefragt.«
Emerald seufzte theatralisch. »Ich fürchte, dass ich im Augenblick nur daran denken kann, wie sehr ich Alessandro vermisse und wie sehr ich mir wünsche …« Sie legte eine Hand auf ihren Leib und seufzte noch einmal, während sie sich innerlich darüber amüsierte, wie wütend Alessandros Mutter sein würde, wenn sie in den Klatschspalten von Emeralds madonnenhafter Tapferkeit las, mit der sie stolz Alessandros Kind unter dem Herzen trug, obwohl er sie so verletzt hatte.
Sobald das Balg auf der Welt war, würde sie natürlich das amüsante Leben wieder aufnehmen, das sie genossen hatte, bevor sie wusste, dass sie schwanger war. Ihre Mutter, die sie so angefleht hatte, das Kind nicht abzutreiben, konnte es ihr vergelten, indem sie es in Denham aufzog, wo Emerald es aus den Füßen hatte.
Also, jetzt musste sie wenigstens an Weihnachten nicht nach Hause nach Denham, denn sie hatte die perfekte Ausrede, fand Rose. Sie hatte keine Lust gehabt zu fahren, denn sie fürchtete sich davor, dass Weihnachten dieses Jahr zwangsläufig anders sein würde als all die anderen wunderbaren Weihnachtsfeste davor. Doch es war ihr einfach kein guter Grund eingefallen, Denham fernzubleiben, bis heute. Doch heute hatte man ihr gesagt, da sie so viel zu tun hatten und Mrs Russell darauf bestand, die umfassende Neugestaltung ihrer Wohnung müsse bis zu ihrer Silvesterparty abgeschlossen sein, müsse sie am Heiligabend lange arbeiten und schon am Tag nach dem zweiten Weihnachtstag wieder auf der Arbeit erscheinen.
Rose sah auf ihre Uhr und ging ein wenig schneller. Sie wollte sich mit Josh nach der Arbeit auf ein Glas im Golden Pheasant treffen, und wenn sie sich nicht beeilte, kam sie noch zu spät.
»Musstest du die Haarnadel in letzter Zeit oft zum Einsatz bringen?«, fragte Josh, nachdem er etwas zu trinken bestellt hatte.
Rose wollte schon leugnen, doch dann hielt sie inne und meinte: »Er will einfach nicht akzeptieren, dass ich nicht interessiert bin. Ich habe ihm sogar gedroht, es seiner Frau zu sagen, aber da hat er nur gelacht und gemeint, sie würde mir nicht glauben.«
»Mistkerl«, schimpfte Josh hitzig. »Hast du überlegt, es deinem Chef zu sagen?«
»Ich glaube, das hat nicht viel Sinn. Die Russells sind mit seine besten Kunden und haben ihn obendrein noch ihren Freunden empfohlen. Außerdem glaube ich, dass sie bisher noch nichts für die Neugestaltung ihrer Wohnung bezahlt haben, also möchte Ivor sie sicher nicht vor den Kopf stoßen. Und abgesehen davon …«
Als sie zögerte, hakte Josh nach: »Und abgesehen wovon?«
»Also, weißt du, Josh, die Leute scheinen zu denken … will sagen, einige von den anderen jungen Frauen lassen auch schon mal eine Bemerkung fallen, und ich bin mir nicht sicher, ob Ivor mir glauben würde, dass ich Mr Russell nicht ermutigt habe. Er hat so was in der Art angedeutet.«
Es fiel ihr schwer, sich Josh anzuvertrauen. Aber er ging mit den allerpersönlichsten Dingen so offen um, dass sie mit der Zeit von ihm gelernt hatte, sich zu öffnen.
»Ich kenne keine junge Frau, die weniger geneigt wäre, einem Mann Hoffnungen zu machen, als du«, erwiderte Josh. »Der Typ ist ein übler Zeitgenosse, Rose. Wer so reich ist wie er, hat sich hie oder da schon mal die Hände schmutzig gemacht. Mag sein, dass er sich bisher offiziell nichts hat zuschulden kommen lassen, aber ich habe gehört, dass er mit verdammt vielen Männern Geschäfte macht, bei denen das nicht so ist.«
»Ella hat gesagt, sie hat von einigen Mädchen bei Vogue gerüchteweise gehört, Mrs Russell sei vor ihrer Heirat Mannequin gewesen. Ihr Vater war ein südamerikanischer
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