Ein Hauch von Seide - Roman
Geschäftsmann, der sein ganzes Geld verlor und dann verschwand.«
Ella hatte Rose erzählt, Mrs Russell habe versucht, Vogue zu überreden, einen Artikel über sie zu bringen, doch Ellas Chefin habe gesagt, Vogue bringe keine Artikel über Leute, die sich in dem Versuch, etwas vorzutäuschen, was sie nicht waren, an die gute Gesellschaft heranmachten.
Bei einem Glas Wein erzählten sie sich das Neueste, und Rose erklärte Josh, dass sie an Heiligabend arbeiten musste.
»Bei den Russells?«, wollte er wissen.
Rose nickte.
»Also, pass bloß auf, dass der Alte nicht versucht, dir ein Weihnachtsgeschenk aufzudrängen, das du nicht willst. Deine Tante wird sicher nicht erfreut sein, wenn du an Weihnachten nicht nach Hause kommst, was?«
»Ach, ich gehe davon aus, dass sie so viel mit Emerald zu tun hat, dass sie mich kaum vermisst, und überhaupt …«
»Überhaupt was?«, hakte Josh nach. Er wusste immer, wenn sie sich mit etwas herumquälte oder mit etwas hinter dem Berg hielt. Rose war so verdammt ehrlich, dass sie einfach nichts verbergen konnte. Anders als er. Er war ein Meister des Verbergens.
»Also, in gewisser Weise bin ich froh, dass ich nicht nachhause fahren kann.«
Warum um alles in der Welt hatte sie ihm das erzählt? Es war das Letzte, was sie ihm erzählen wollte, doch irgendwie war es ihr über die Lippen gekommen, und nun konnte sie es nicht zurücknehmen.
»Wegen dem Typ, an den du immer denkst und dann mir gegenüber so tust, als würdest du kein Gesicht machen wie drei Tage Regenwetter?«
Rose sprang fast von ihrem Stuhl, prustete in ihr Glas und sah ihr Gegenüber entsetzt an, bevor sie widersprach. »Du kannst nichts von John wissen. Ich habe niemals …«
»Ah, er heißt also John, was? Was ist er? Ein feiner Pinkel vom Land, in den du verliebst bist, seit ihr beide das erste Mal mit euren Ponys ausgeritten seid?« Rose wusste, dass Josh sie nur auf den Arm nahm, doch die Worte schnitten ihr mitten ins Herz.
»So was in der Art«, meinte sie. »Aber ich bin nicht in ihn verliebt. Nicht mehr.«
Das stimmte, wie sie merkte. Sie war nicht mehr in John verliebt, aber sie liebte ihn immer noch, und es tat, wenn überhaupt, noch mehr weh, denn diese Liebe, die Liebe einer Schwester, musste für immer ihr Geheimnis bleiben.
»Komm schon, Rose, mich kannst du nicht täuschen. Deine Stimme verrät mir, dass du ihn liebst. Vielleicht solltest du ihm das sagen. Man weiß nie … insgeheim …«
»Nein!«, fuhr Rose auf. »Er liebt mich nicht. Das kann er nicht. Das darf er nicht.«
»Du fängst doch jetzt nicht wieder mit dem Blödsinn an, du wärst nicht gut genug, oder? Du bist mindestens so gut wie jeder andere, Rose. Sprich mir nach: Ich bin …«
»Nein, Josh, das verstehst du nicht. So ist es nicht. Bitte, dring nicht weiter in mich. Ich kann es dir nicht sagen. Ich habe versprochen, es niemandem zu sagen. Es würde Johns Leben zerstören, wenn er es wüsste. Ich wünschte, ich hätte es nie erfahren.«
New York. Sie würde im neuen Jahr nach New York gehen, vorläufig für sechs Monate, um für die Feature-Redaktion der amerikanischen Vogue zu arbeiten. Ella drückte die Nachricht an sich. Sie hatte gewusst, dass die Chance bestand, doch sie hatte nicht zu hoffen gewagt. Doch heute hatte ihre Chefin es bestätigt. Sie würde London und Janey und Rose natürlich vermissen, aber New York! Wie aufgeregt sie war! Man hatte ihr gesagt, sie könnte bei einer Kollegin aus der Redaktion wohnen, die zufällig ein Zimmer frei hatte, und Vogue würde die Reisekosten tragen.
Sie war aufgeregt, aber sie war auch besorgt. Wer würde ein Auge auf Janey haben, wenn sie nicht da war? Ella traute ihrer jüngeren Schwester nicht. Zum einen schleppte sie dauernd die schrecklichsten jungen Männer an, Versager, die ihr leidtaten.
Und was war mit ihren Diätpillen? Sie musste sich noch Nachschub besorgen, bevor sie abreiste, oder sich in New York einen neuen Diätarzt suchen.
Wenigstens war sie fort, wenn Emerald ihr Kind bekam. Wie immer spürte Ella deutlich eine innere Anspannung, wenn sie an Babys dachte und daran, was ihrer Mutter widerfahren war, denn es konnte auch ihr passieren, sollte sie je ein Kind bekommen, und davor hatte sie schreckliche Angst. Doch sie würde nicht schwanger werden. Niemals. Sie war nicht wie Emerald. Sie würde niemals heiraten, und außerhalb der Ehe würde sie auf keinen Fall Sex mit einem Mann haben. Emeralds heimliche Heirat und die Annullierung der Ehe waren
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